Als Leichtathletin hat Leena Rauscher (ehem. Günther) in den letzten Jahren große Erfolge gefeiert. Die ehemalige Europameisterin in der 4-mal-100-Meter-Staffel erreichte in derselben Disziplin 2012 bei den Olympischen Spielen Platz fünf. Nebenbei hat die 27-Jährige erfolgreich ein Studium der Medizin in Köln absolviert. Seit Anfang Februar arbeitet die ehemalige Profisportlerin als Assistenzärztin in der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Ulm. Wir haben uns mit ihr unter anderem über ihre sportliche und berufliche Zukunft und über den Spagat zwischen Spitzensport und Medizinstudium unterhalten.
Frau Rauscher, bei Ihrem Lebenslauf liegt ja eine Frage recht nah: Warum nicht Sportmedizin? Verraten Sie uns deshalb bitte: Was fasziniert Sie an der Augenheilkunde? Warum haben Sie sich für dieses Fachgebiet entschieden?
Die Entscheidung für ein Fachgebiet war für mich ein langer Prozess und ich bin nur über Umwege zur Augenheilkunde gekommen. Ich habe relativ viele Praktika in der Sportmedizin und auch in der Orthopädie gemacht, habe dann aber festgestellt, dass das langfristig doch nicht ganz das Richtige für mich ist. Da mein Prüfungsfach im letzten Staatsexamen die Augenheilkunde war, habe ich mich intensiv damit beschäftigt. Ich finde, die Augenheilkunde ist ein kleines, aber vielseitiges Fach, bei dem man zum Beispiel operieren kann und alle Altersgruppen an Patienten sieht.
Was macht Ihnen an Ihrem Beruf besonders Spaß?
Ich bin ja noch nicht so lange hier, das heißt, mein Spektrum ist noch nicht so groß. Aber die Untersuchungstechniken in der Augenheilkunde sind sehr praktisch angelegt. Es gibt auch einen großen operativen Teil, wo ich jetzt noch nicht eingesetzt werde, sondern erst gegen Ende meiner Ausbildung. Das Spektrum reicht von rein konservativen Methoden bis zu Operationen. Außerdem entwickelt sich die Technik von Jahr zu Jahr weiter, was mich sehr anspricht.
Wie war Ihr Start an der Augenklinik?
Aller Anfang ist zwar immer schwer, ich denke, das geht jedem so. Aber die Kolleginnen und Kollegen sind super nett und machen es mir sehr leicht. Viel Fachliches und die verschiedenen Untersuchungstechniken muss ich natürlich erst mit ein bisschen Geduld und Übung erlernen. Ich fühle mich aber sehr gut betreut und werde von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen eingearbeitet, die mich mitnehmen und mir alles Schritt für Schritt beibringen. Untersuchen darf ich auch selbst, aber mir fehlt natürlich noch die Erfahrung, wichtige Diagnosen zu stellen.
Als Profisportlerin haben Sie mindestens 6 Mal in der Woche trainiert, Humanmedizin ist einer der anspruchsvollsten und lernintensivsten Studiengänge. Wie sah eine typische Woche während Ihrer aktiven Zeit als Spitzensportlerin und Studentin aus?
Meine Tage waren zu dieser Zeit ziemlich streng getaktet. Der Tagesablauf kam natürlich auch auf meinen Stundenplan in der Uni an. Entweder habe ich morgens Vorlesungen besucht oder gelernt und bin dann abends oder nachmittags zwei bis zweieinhalb Stunden zum Training gegangen. Oder ich musste morgens trainieren, wenn ich abends Anwesenheitsveranstaltungen hatte. Dann kamen noch circa zweimal pro Woche Physiotherapie oder Reha dazu; je nach Jahreszeit dann noch Wettkämpfe an den Wochenenden. Mein gesamter Tagesablauf war also sehr gut durchstrukturiert und ich hatte nur wenig Freizeit.
Wie sind Sie mit dieser Doppelbelastung umgegangen?
Ich glaube, man muss einfach der Typ Mensch für so etwas sein und auch in diese Rolle hineinwachsen. Trainiert habe ich schon während der Schulzeit sehr viel und habe so gelernt, mich zu organisieren. Bestimmte Dinge wie Hausaufgaben musste ich dann eben immer sofort erledigen. Ich war also von klein auf daran gewöhnt, dass meine Tag sehr voll sind.
Welche Rolle spielt der (Spitzen-)Sport heute in Ihrem Leben?
Ich mache heute deutlich weniger Sport und auch nur noch das, worauf ich wirklich Lust habe. Seit ich arbeite, bin ich zeitlich mehr eingeschränkt, ich versuche aber, ungefähr zwei Mal in der Woche Sport zu treiben. Was ich dann mache, ist heute bunt gemixt: mal ein bisschen Fitness, mal Krafttraining, im Sommer bin ich auch sehr gerne draußen Inliner fahren und ab und zu gehe ich auch reiten. Aber alles nur noch zum Spaß. Es gibt auch Wochen, da habe ich keine Lust und mache dann gar keinen Sport. Ich sehe das inzwischen alles sehr locker.
Im Sport konnten Sie große Erfolge feiern, haben im Februar 2016 aber offiziell Abschied aus der Nationalmannschaft genommen, um sich auf Ihre Karriere in der Medizin zu konzentrieren. Welche beruflichen Ziele haben Sie sich hierfür gesteckt?
Ich bin mittlerweile weg von diesem extremen Leistungsgedanken. Natürlich möchte ich eine gute Ärztin sein und ich habe hohe Ansprüche an mich selbst – ich glaube, das hat jeder Leistungssportler. Manchmal bin ich mit mir selbst auch ein bisschen ungeduldig. Ich versuche aber inzwischen, mich zu bremsen und nicht enttäuscht zu sein, wenn ich nicht innerhalb der ersten Woche alles perfekt kann.
Sie sind Expertin für Kurzstreckenläufe. Könnten Sie sich auch vorstellen, im September für das Uniklinik-Team beim Einsteinmarathon mitzulaufen?
Was das betrifft, bin ich wirklich eine klassische Sprinterin. Ich gehe zum Beispiel nicht gerne Joggen, was ich ehrlich gesagt auch gar nicht gut kann. In meiner Sportlerkarriere musste ich natürlich immer mal wieder Ausdauertraining machen, aber das waren für mich die schlimmsten Einheiten. Da müsste man schon sehr gute Überzeugungsarbeit leisten.
Sie sind gebürtige Kölnerin. Warum hat es Sie nach Ulm verschlagen?
Mein Mann ist Leichtathletik-Trainer und hat beim SSV Ulm eine sehr gute Stelle angeboten bekommen. Als Ärztin kann ich überall arbeiten und da es hier in Ulm sogar eine Uniklinik gibt, bin ich in den Süden Deutschlands gekommen. Das war allerdings eine große Umstellung. Die Stadt ist deutlich kleiner und die Menschen sind total anders. Ich bin in Köln geboren und groß geworden, bin also ein richtiges Großstadtkind. Köln ist sehr speziell, extrem offen, bunt und es gibt viele Studierende. Hier ist alles deutlich kleiner und ein bisschen ruhiger. Aber die Stadt an sich, vor allem die Altstadt, finde ich super schön, viel schöner als die laute Großstadt Köln.
Letzte Frage: Wie finden Sie als Kölnerin unser Münster? Waren Sie schon oben?
Ich war noch nichts ganz oben. Letzten Winter wollte ich hoch, aber das hat nicht geklappt, weil wegen der Kälte der Kirchturm gesperrt war. Vielleicht klappt es dieses Jahr.