Forschungsteam um Prof. Cırak entdeckt neue und seltene neu-rologische Erkrankung bei Kindern

Genveränderungen im CRELD1-Gen führen zu angeborener Muskelschwäche und frühkindlicher Epilepsie

Neue Erkenntnisse zu seltenen Erkrankungen: Ein interdisziplinäres Team unter der Führung von Prof. Dr. Sebahattin Cırak, Sektionsleiter Neuropädiatrie, Stoffwechsel und Sozialpädiatrisches Zentrum am Universitätsklinikum Ulm, hat gemeinsam eine neu beschriebene, genetisch definierte Erkrankung identifiziert.

Betroffene Kinder zeigen bereits bei Geburt starke Muskelschwäche und Gelenkversteifungen (Arthrogryposis). Im ersten Lebensjahr tritt häufig eine schwer behandelbare Epilepsie auf. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Brain Communications veröffentlicht.

Ursache für die Erkrankung sind demnach zwei vererbte Veränderungen im CRELD1-Gen: Die Studie liefert erstmals einen klar umrissenen Einblick in ein Krankheitsbild, das Muskelschwäche, Arthrogryposis und früh einsetzende Epilepsie durch CRELD1-Varianten vereint. Die Untersuchungen zeigen zudem, dass CRELD1 beim Zusammenbau von Acetylcholinrezeptoren (AChR) – den „Signal-Schaltern“ an Nerven- und Muskelzellen – eine zentrale Rolle spielt.

„Wir sehen hier eine neu beschriebene, genetisch definierte Erkrankung,“ erklärt Prof. Dr. Sebahattin Cırak. Wenn CRELD1 gestört ist, gelangen weniger funktionsfähige ‚Signal-Schalter‘ an die Kontaktstellen zwischen Nerven und Muskeln. Das erklärt die schwere Muskelschwäche – und vermutlich auch die frühe Anfallsneigung. Mit diesem Wissen können wir Verdachtsfälle schneller abklären und Familien gezielter beraten.“

Damit Muskeln auf Nervenreize reagieren können, benötigen sie Acetylcholinrezeptoren. Das CRELD1-Protein wirkt im Inneren der Zelle als Montagehelfer: Es sorgt dafür, dass die „Schalter“ richtig zusammengebaut und in ausreichender Zahl an die Muskelzelloberfläche transportiert werden. Ist CRELD1 gestört, stehen zu wenige Schalter bereit, was die Symptome erklärt.

Die neuen Erkenntnisse haben auch konkrete Folgen für die medizinische Praxis: Bei Neugeborenen mit Muskelschwäche, Arthrogryposis und früh einsetzender Epilepsie sollte CRELD1 gezielt in der genetischen Diagnostik berücksichtigt werden. Gezielte Tests können die Diagnose beschleunigen, die Risikobewertung für Familien verbessern und den Weg zu gezielter Beratung ebnen.

Auch für die Forschung bietet das Wissen über den zugrundeliegenden Mechanismus Möglichkeiten für künftige Therapieansätze, beispielsweise mit dem Wirkstoff 3,4-Aminopyridin. Obwohl es noch keine spezifische Therapie gibt, liefert die Aufklärung des zugrunde liegenden Mechanismus Ansatzpunkte und kann die Diagnose und Beratung betroffener Familien deutlich verbessern.

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Originalpublikation: D’Alessandro M, et al. and Cirak S „Bi‑allelic CRELD1 variants cause severe muscle weakness and infantile epilepsy“, Brain Communications 2025;7(5):fcaf326. doi: 10.1093/braincomms/fcaf326.

Studie veröffentlicht in:Brain Communications (Open Access; doi: 10.1093/braincomms/fcaf326)
Link zum Paper:https://academic.oup.com/braincomms/advance-article/doi/10.1093/braincomms/fcaf326/8247332

Fachlicher Kontakt:
Prof. Dr. Sebahattin Cirak
Sektionsleiter Neuropädiatrie, Stoffwechsel und Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)
Klinik für Kinder‑ und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Ulm
Universität Ulm, Professor für Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie
E‑Mail: Sebahattin.Cirak@uniklinik-ulm.de

Prof. Dr. Sebahattin Cırak, Sektionsleiter Neuropädiatrie, Stoffwechsel und Sozialpädiatrisches Zentrum am UKU. (Quelle: Universitätsklinikum Ulm)