Gesundheit im Alter: Erkenntnisse, die unter die Haut gehen

Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek mit dem Robert Pfleger-Forschungspreis ausgezeichnet

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Am 6. Juli wird Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek, Direktorin der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie in Ulm, mit einem der höchst dotierten Preise für medizinische Forschung in Deutschland ausgezeichnet: In der Orangerie von Schloss Seehof bei Bamberg wird der gebürtigen Hildesheimerin der mit 50.000 Euro dotierte Robert Pfleger-Forschungspreis verliehen. Ihre Erkenntnisse sind als Meilensteine auf dem Weg zum Forschungsziel „gesundes Altern“ anzusehen. Die Preisträgerin hat herausgefunden, dass alte Zellen im Bindegewebe der Haut älterer Menschen Entzündungsbotenstoffe produzieren, die oft massive Auswirkungen auf deren Gesundheitszustand haben. Störungen der  Wundheilung und Autoimmunerkrankungen können ebenso die Folge sein wie das verstärkte Wachstum von bösartigen Tumoren. Nun verfolgt Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek ein erklärtes Ziel: ein Medikament zu entwickeln, mit dem es gelingt, diese Zellen (sogenannte „seneszente Fibroblasten“) zu entfernen und so den Menschen zu mehr Lebensqualität in den letzten 20 Lebensjahren zu verhelfen. Bei der feierlichen Verleihung in der Orangerie Schloss Seehof bei Bamberg mit rund 150 geladenen Gästen gratuliert auch die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml. Die Doktor Robert Pfleger-Stiftung fördert medizinische Forschung sowie sozial-caritative Projekte und verleiht den Robert Pfleger-Forschungspreis seit 1986 alle zwei Jahre.

Alte Zellen im Bindegewebe begünstigen die Ausbreitung von Krebserkrankungen
Um wachsen oder in das gesunde Gewebe eindringen zu können, benötigen bösartige Tumorzellen eine entsprechende Umgebung. Diese wird von alten Stammzellen im Bindegewebe der Haut (Fibroblasten) durch die Produktion von Entzündungsbotenstoffen geschaffen – das konnte Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek mit ihrer Arbeitsgruppe zeigen, indem sie bösartige „Melanomzellen“ (Tumorzellen des „schwarzen Hautkrebses“), mit alten und jungen Fibroblasten zusammen kultivierte. Das Ergebnis zeigte: Tumorzellen wachsen sehr viel besser in alten Häuten. Dies gilt auch für die des „weißen Hautkrebses“. Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek konnte die Vorgänge und Einflussfaktoren, die diesen Prozessen zu Grunde liegen, molekular beschreiben und die daran beteiligten Faktoren und Signalwege aufklären. Damit leistete sie entscheidende Vorarbeit auf dem Weg zur Vorbeugung und Behandlung von Hautkrebs im Alter. Vorbeugung von Alterskrankheiten: Medikament zur Beseitigung der alten Zellen wird entwickelt Derzeit arbeitet Prof. Dr. Karin Scharfetter-Kochanek mit ihrem Team daran, Wege zu finden, wie die alten Fibroblasten gezielt und spezifisch beseitigt werden können. Ein solches Medikament wäre ein großer Durchbruch: für die Eindämmung der Tumorprogression, aber auch für die Behandlung oder Vorbeugung vieler anderer Alterungserkrankungen, wie Osteoporose, Arteriosklerose, Arthrose und möglicherweise Altersdiabetes. „Wir verfolgen die Hypothese, dass das Bindegewebe auch für die Alterung anderer Gewebe und Organe eine Schrittmacherfunktion hat. Das würde bedeuten, dass, wenn das Bindegewebe altert, durch die vielen Entzündungsmediatoren ein sogenanntes Microenvironment entsteht, das andere Zellen, die sich in dieser Umgebung befinden, auch altern lässt“, so die Preisträgerin.

Weitere Forschungserfolge zu Wundheilungsstörungen, Schuppenflechte und Auswirkungen von UV-Strahlung auf die Haut
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Preisträgerin sind Störungen der Wundheilung. Sie will wissen, wie Wunden entstehen und welche Faktoren bei der Regeneration der Haut eine Rolle spielen. Zusammen mit ihrem Team klärte sie molekulare Mechanismen von Wundheilungsstörungen auf – zum Beispiel bei „offenen Beinen“ (Ulcus cruris) – und lieferte dadurch wichtige Erkenntnisse für neue Therapien. Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek konnte zudem einige Faktoren aufdecken, die für die Entstehung der Autoimmunerkrankung Schuppenflechte (Psoriasis) verantwortlich sind. Der heute bei Schuppenflechte standardmäßige Einsatz von Medikamenten, deren Wirkweise auf der Blockade des Proteins Interleukin-17 basiert, geht unter anderem auch auf ihre Forschungsergebnisse zurück. Sie hatte Hinweise erarbeitet, dass unter anderem die vermehrte Interleukin-17-Produktion bestimmter Zellen gestoppt werden muss, um den Autoimmunprozess einzudämmen. Zudem konnte sie drei am Entstehungsprozess der Schuppenflechte beteiligte Gene lokalisieren. Zu Beginn ihrer Laufbahn untersuchte Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek Sonnenbrand und die Auswirkungen von UV-Strahlung. Geprägt durch ihre Arbeit in der Klinik sieht sie die Haut und deren Erkrankungen in einem systemischen Ansatz und hat das Wechselspiel mit anderen Organen im Blick.

Die Preisträgerin ist besorgt: „Das deutsche Gesundheitssystem gerät in eine Falle“
Laut Prof. Dr. Scharffetter Kochanek ist der Forschungsnachwuchs in der Medizin in Deutschland gefährdet. Ein wesentlicher Grund sei die Ökonomisierung der Medizin und die Einführung der „Diagnosis Related Groups“ (DRGs) als Fallpauschalen. „Weil mir die Forschung sehr am Herzen liegt, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auf ein gravierendes Problem im Gesundheitssystem hinzuweisen: Es bleibt kaum mehr Zeit, sich mit Forschungsfragen in der Tiefe zu beschäftigen, weil die Medizin auch an den Universitäten zunehmend auf den Erlös von Geld ausgerichtet ist. Deren Kernaufgaben, Wissen zu schaffen, Forschung mit klinischer Praxis zu verbinden und beides an die nächste Generation zu vermitteln, können dadurch nicht wie früher wahrgenommen werden. Durch diese schwierige Situation streben nur noch sehr wenige Nachwuchsmediziner eine Karriere auf der Brücke zwischen Klinik und Forschung an. Das deutsche System gerät hier langfristig in eine Falle, die für die Weiterentwicklung medizinischer Diagnostik und Behandlungsmethoden alles andere als zuträglich ist“, erläutert die Preisträgerin und fügt hinzu: „Umso mehr ist Förderern, wie der Doktor Robert Pfleger-Stiftung, zu danken, die die medizinische Forschung – als den einzigen Motor von neuen Erkenntnissen und Entwicklungen – unterstützt. Von zentraler Bedeutung wäre es, dass die Politik und die Verantwortlichen des Gesundheitssystems diese Aufgabe nicht aus den Augen verlieren, sondern sich ihr gezielt widmen, damit wir weiter den Fortschritt zum Wohle der Patienten mitgestalten können und unsere internationale Vorreiterfunktion in der Medizin nicht verlieren.“

Kurzvita von Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek
Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek ist Ärztliche Direktorin der Ulmer Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie. Sie erforscht dort die komplexen Prozesse bei Störungen der Wundheilung sowie der Alterung der Haut und anderer Organe. Zu Beginn ihrer Laufbahn untersuchte die gebürtige Hildesheimerin die Auswirkungen von UV-Strahlung auf die Haut, bevor sie anfing, sich verstärkt mit Alterungsprozessen in Zellen zu beschäftigen. Von 1987 - 1989 hielt sie sich im Rahmen eines DFG-Stipendiums im Labor für Bindegewebsforschung der Klinik für Dermatologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München auf und forschte später einige Zeit am National Institutes of Health in Bethesda, USA. Von 1993 - 1995 ging sie als Heisenberg-Stipendiatin an das Institute for Human and Molecular Genetics des Baylor College of Medicine in Houston, USA. Im Jahr 2002 wurde sie schließlich auf den Lehrstuhl für Dermatologie und Allergologie der Universität Ulm berufen, wo sie auch heute noch tätig ist. Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek ist in verschiedenen Gesellschaften und Gremien aktiv: Sie ist stellvertretende Sprecherin des Geriatrie-Kompetenzzentrums Ulm, Vorstandsmitglied des Comprehensive Cancer Centers Ulm sowie der European Tissue Research Society. Seit 2008 ist die Dermatologin außerdem Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Hintergründe zur Doktor Robert Pfleger-Stiftung und ihrem Stifter
Prof. Dr. Robert Pfleger, der Gründer der Dr. R. Pfleger Chemische Fabrik GmbH und Studiengefährte des Nobelpreisträgers Ernst Boris Chain hat sowohl der Region Franken als auch der deutschen Medizinforschung einiges hinterlassen: Zum einen ein vorbildliches Pharmaunternehmen, in dem heute rund 330 Personen arbeiten und das für den verantwortungsbewussten Umgang mit seinen Mitarbeitern als Arbeitgeber bereits mehrere Preise erhalten hat. Zum anderen eine gemeinnützige Stiftung, die er im Jahr 1974 gründete und in die er die Unternehmensanteile seiner Firma zu 100 Prozent übertrug. Die nach ihm benannte Doktor Robert Pfleger-Stiftung ist heute deutschlandweit einer der bedeutendsten Förderer der medizinischen Forschung und unterstützt zusätzlich auch sozial-caritative Projekte. Weitere Informationen auf www.pfleger-stiftung.de


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Stefanie Seidl
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Link zum Artikel in der Südwest Presse (6.7.2018)

(Foto: H.Grandel)