Löffel, Käsepieker, Batterie: Was tun bei verschluckten Gegenständen?

Neue europäische Leitlinie für die Bergung von verschluckten Gegenständen bei Erwachsenen

Kann man einen Löffel verschlucken, einen Käsepieker, eine Rasierklinge? Klar ist, ja, man kann. Unklar war bisher häufig, was genau ein Arzt in solchen Fällen tun sollte: Abwarten, den Gegenstand endoskopisch entfernen oder gar operieren? Bei einer verschluckten Knopfbatterie muss sofort gehandelt werden, bei einer kleinen Murmel nicht unbedingt. Wie entfernt man ein Steakstück, wie eine Rasierklinge? Jetzt haben Wissenschaftler aus ganz Europa unter Federführung der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin I für die Europäische Fachgesellschaft (European Society of Gatrointestinal Endoscopy, ESGE) eine Leitlinie zu dem Thema veröffentlicht. Sie gibt nach Auswertung der zur Verfügung stehenden internationalen Fachliteratur Diagnose- und Therapieempfehlungen.

Diagnose, Dringlichkeit und Bergungsmöglichkeiten

Nicht nur Kinder, auch Erwachsene, vor allem ältere Menschen, verschlucken Gegenstände. Von 100.000 Menschen trifft dies jährlich rund 13 Personen, schätzen die Wissenschaftler. „Häufig werden Gebissteile oder ungeeignete Bestandteile des Essens verschluckt, beispielsweise ein zu großes Stück Steak vom Grill oder Fischgräten. Wir haben aber auch Patienten, die eine Glasscherbe verschlucken oder mit Käse und Traube zusammen den spitzen Plastikpieker“, berichtet Prof. Dr. Alexander Meining, Leiter der Endoskopie an der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin I, der die Leitlinie federführend im Team mit seinem Ulmer Kollegen Dr. Michael Birk und Wissenschaftlern aus ganz Europa erarbeitet hat. „Ein besonderer Fall sind Menschen mit psychischen Erkrankungen, die absichtlich Gegenstände verschlucken, vom langen Eislöffel bis hin zu Pflaster oder Rasierklingen“, so Meining. Die neue Leitlinie gibt Empfehlungen zum passenden Diagnoseverfahren, zur Dringlichkeit und zu den verschiedenen Bergungsmöglichkeiten.

Bei Knopfbatterien und Magneten sofort handeln

„Wenn jemand eine Knopfbatterie verschluckt, muss der Arzt sofort handeln, denn durch elektrische oder chemische Reaktionen können die Magen- oder Darmschleimhäute geschädigt werden. Auch Magneten müssen sofort entfernt werden, da sie mit ihrer Anziehungskraft beispielsweise zwei Darmschlingen zusammenkleben und verletzen können“, so Meining. Auch scharfe und große Gegenstände müssen lokalisiert und je nach Lage entfernt werden. Dazu gibt es spezielle endoskopische Instrumente mit verschiedenen Greifarmen, mit Schlingen oder Körbchen zum Schutz des umgebenden Gewebes.

Sitzt ein ungefährlicher Gegenstand noch vor dem Magen, lässt er sich mitunter in den Magen hineinschieben. Im Extremfall muss ein Gegenstand durch eine Operation entfernt werden. „Wichtig ist auch zu wissen, wann man nichts unternehmen, sondern nur beobachten muss, nämlich im Regelfall bei kleineren stumpfen Gegenständen“, erläutert Professor Meining. Für Betroffene gilt: Wer etwas Ungenießbares verschluckt, sollte wenn möglich einen identischen Gegenstand, also beispielsweise noch einen Käsepieker, mit zum Arzt bringen. Das erleichtert Diagnose und Therapie.

Wissenschaftliche Erkenntnisse praxisnah umsetzen

„Wir haben von Kollegen bereits viele positive Rückmeldungen zur Leitlinie erhalten, die jetzt in der Onlineausgabe der Fachzeitschrift Endoscopy publiziert wurde. Jeder Arzt kann plötzlich mit einem solchen Fall konfrontiert sein und muss dann schnell klug handeln, hier kann die Leitlinie helfen“, freut sich Professor Meining. Der Leitende Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Ulm, Prof. Dr. Udo X. Kaisers, ergänzt: „Internationale wissenschaftliche und klinische Erkenntnisse für die tägliche Arbeit der Ärzte aufzubereiten, ist eine wichtige Aufgabe der Universitätsmedizin, die hier fundiert und praxisnah umgesetzt wurde.“

Titel der Originalpublikation: Removal of foreign bodies in the upper gastrointestinal tract in adults: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Clinical Guideline. DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-100456. Published online: 2016 Endoscopy.

 

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Prof. Dr. Alexander Meining_Foto: Universitätsklinikum Ulm

Prof. Dr. Alexander Meining_Foto: Universitätsklinikum Ulm