Gefühlen Farbe geben

Vernissage an der Hans-Lebrecht-Schule des Universitätsklinikums Ulm

Gefühle wahrnehmen, spüren, benennen, ausdrücken – ihnen Farbe geben. In einem partizipativen Kunstprojekt mit Schüler*innen der Hans-Lebrecht-Schule hat die Künstlerin und Kinder- und Jugendpsychiaterin und -psychotherapeutin Dr. Anna Sacher Santana zwei große Schul-Fenster farblich gestaltet. Die Vernissage fand zum Auftakt der Woche der seelischen Gesundheit (10. – 20. Oktober 2022) statt.


Anknüpfungspunkt des Kunstprojekts war das viel beachtete Schülerprojekt zur subjektiven Wahrnehmung der Fenster im Ulmer Münster („Das Ich im Licht der Fenster des Ulmer Münsters“ im Rahmen einer Ausschreibung der Denkmalschutzstiftung). So entstand die Idee, eine moderne Arbeit auf Glas zum Thema Gefühle zu realisieren. In angeleiteten Workshops ordneten die Schülerinnen und Schüler bestimmten Gefühlen Farben zu und entwickelten Gesichter und Formvorstellungen zu den entsprechenden Gefühlsinhalten. Lila steht dabei für Angst, was in der Formsprache durch einengende, eckige, gitterartige Strukturen dargestellt wird. Blau steht für Trauer und Traurigkeit, die ihre Nähe zum blauen Wasser hat, wenn Tränen fließen und Loslassen angesagt ist. Knalliges Rot steht für Wut und die Form dazu ein chaotisches Durcheinander oder eine sich ausbreitende Druckwelle. Grün steht für Freude, ausgedrückt mit leichten nach oben strebenden Strukturen und Gelb für Wohlbefinden und Liebe, die strahlen wie die Sonne.
„Gefühle haben alle ihre Berechtigung und ihren Sinn. So gesehen gibt es keine ‚schlechten‘ Gefühle, nur das ‚Zuviel‘ oder ein zerstörender Ausdruck ist schädlich. Wenn wir auf unsere Gefühle hören, helfen sie uns durch das Leben. Angst will uns schützen. Trauer hilft uns loszulassen. Wut unterstützt uns, Grenzen zu setzen. Freude versüßt uns das Leben und Liebe ist die Erinnerung und Aussicht auf Heimkommen“, sagte die Künstlerin Dr. Anna Sacher Santana bei der Vernissage. Dank der Unterstützung der Otto-Kässbohrer-Stiftung, die den Klinikschulverein e.V. nachhaltig im Rahmen einer auf Teilhabeförderung ausgerichteten Förderzusage unterstützt, war es möglich, das Kunstprojekt an der Hans-Lebrecht-Schule durchzuführen.

Es ist nicht das erste Kunstprojekt von Dr. Anna Sacher Santana. Die Künstlerin gestaltete bereits 2017 mit Schülerinnen und Schülern der Hans-Lebrecht-Schule eine Skulpturengruppe mit dem Namen „Dazugehören“ – das Motto eines Schulprojekts zur Teilhabe und Inklusion – das den Moment symbolisierte, in dem ein neues Mitglied in die Jugendgruppe aufgenommen wird.

Kreative Schulprojekte haben im Konzept der Hans-Lebrecht-Schule eine ganz besondere Bedeutung. Sie eröffnen den Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten, sich unter professioneller Anleitung im schulischen Kontext mit Themen ihres Heilungsprozesses auseinanderzusetzen und frei von jeglichem schulischen Leistungsdruck sich selbstwirksam und kraftvoll zu erleben. Dorothee Blaumer-Hänle, Rektorin der Hans-Lebrecht-Schule, bedankte sich bei den Unterstützern, die das Kunstprojekt ermöglichten – darunter die Kässbohrer-Stiftung, die Stadt Ulm und die Bauabteilung des Universitätsklinikums Ulm.


Abschließend wies der Ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Professor Dr. Jörg M. Fegert, auf das diesjährige Motto der Woche seelischer Gesundheit hin: „Reden hebt die Stimmung – Seelisch gesund in unserer Gesellschaft”. „Wir nehmen Gefühle spontan wahr und können und sollten uns dem Gefühlsausdruck unseres Gegenübers nicht verschließen. Die Woche der seelischen Gesundheit weißt in diesem Jahr daraufhin wie wichtig Eltern, Angehörige, Freundinnen und Freunde, Lehrerinnen und Lehrer sind, wenn sie gefühlsmäßige Veränderungen bei Kindern und Jugendlichen wahrnehmen. Wir sollten Kinder und Jugendliche ansprechen, wenn sie sich plötzlich verschließen, ängstlich zurückziehen oder wütend oder tieftraurig sind“, sagte Professor Dr. Jörg M. Fegert, der auch auf die Bedeutung der Ansprache von Selbstmordgedanken in der Suizidprophylaxe hinwies.


Die Vernissage endete mit Gesprächen am Kuchenbuffet und einem Rundgang mit der Künstlerin, die ihre Arbeiten in beiden Räumen erläuterte und mit den Teilnehmenden diskutierte.

Über die Hans-Lebrecht-Schule:
Die 1986 eröffnete Hans-Lebrecht-Schule ist ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum für Schüler*innen in längerer Krankenhausbehandlung am Universitätsklinikum Ulm. In den beiden Abteilungen, Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie und Unterricht am Krankenbett, werden in einem Schuljahr ca. 340 Kinder und Jugendliche aller Schularten von Sonderschul-, Grund-, Haupt- und Werkrealschullehrer*innen, Realschul- und Gymnasiallehrer*innen unterrichtet. Die Schüler*innen befinden sich in teilstationärer oder stationärer Behandlung in den Kliniken des Universitätsklinikums Ulm.