Über die Arbeitsgruppe Neuropsychologie

Mitarbeiter:

Prof. Dr. I. Uttner; Prof. Dr. D. Lulé, PhD; Dr. Dipl.-Psych. S. Anderl-Straub; J. Finsel, M.Sc.; C. Habermeier, M.Sc.; Dr. O. Küster; J. Lombardi, M.Sc.; C. Reichl; S. Spohn, M.Sc. C.; Vazquez, M.Sc.


Die Arbeitsgruppe Neuropsychologie der Neurologischen Universitätsklinik Ulm am RKU wurde zum 01.01.2000 gegründet und beschäftigt sich seither sowohl klinisch als auch wissenschaftlich mit Fragen zum Erleben und Verhalten nach Schädigungen des Gehirnes. Mitglieder der Arbeitsgruppe halten zudem Lehrveranstaltungen in den Studiengängen Medizin und Psychologie ab und sind entsprechend der Schwerpunktsetzung ihrer Forschungstätigkeit in unterschiedliche Arbeitseinheiten eingebunden. Die enge Verzahnung von Forschung und Klinik ermöglicht dabei eine kontinuierliche Evaluation der klinischen Tätigkeit und deren Anpassung an neueste Standards, aber auch die Entwicklung leistungsfähigerer diagnostischer Instrumente. Seit Erteilung der Weiterbildungsermächtigung durch die Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) im April 2012 besteht die Möglichkeit, im Rahmen der klinischen Tätigkeit die Weiterbildung zum Klinischen Neuropsychologen nach den GNP-Richtlinien zu absolvieren, was zusammen mit dem Qualifikationsangebot des Aus- und Weiterbildungsinstitut für Verhaltenstherapie und angewandte Psychologie am Universitätsklinikum Ulm eine umfassende postgraduierte Ausbildung für Psychologen mit klinischem Schwerpunkt gewährleistet.

Schwerpunkte

Mitarbeiter:
Prof. Dr. I. Uttner (Leiter); H. Aho-Özhan, M.Sc.; Dr. Dipl.-Psych. S. Anderl-Straub; Dr. Dipl.-Psych S. Böhm; Dr. Dipl.-Psych. J. Heimrath; J. Keller, M.Sc.; Dipl.-Psych. O. Küster; Mag. rer. nat. M. Nagl; Dipl.-Psych. E. Semler; S. Spohn, M.Sc.

Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und anderer kognitiver Funktionen zählen zu den häufigsten Folgen neurologischer Erkrankungen und haben oftmals weitreichende Konsequenzen für den beruflichen und privaten Lebensalltag. So zeigen nahezu 80% aller Schlaganfallpatienten in der Postakut-Phase Defizite in einer oder mehreren kognitiven Domänen, wobei insbesondere Störungen der exekutiven Funktionen, also Defizite im Planen und Problemlösen, als Marker für einen eher ungünstigen Erkrankungsverlauf gelten. Erfassung, Beschreibung und Behandlung dieser der unmittelbaren Beobachtung zunächst oftmals nicht direkt zugänglichen Defizite sind klassische Aufgabenbereiche der Neuropsychologie, die als Teildisziplin der Neurowissenschaften eine zentrale Rolle im Schnittfeld von Verhalten, Hirnfunktion und -anatomie einnimmt. Weitere prominente Tätigkeitsfelder betreffen mit Verlaufs- und Differentialdiagnostik Aspekte, die insbesondere bei diesen Erkrankungen von Relevanz sind, die sich – wie z.B. Demenzen – primär durch neuropsychologische Auffälligkeiten bemerkbar machen. Die Zusammenfassung von Akutklinik und anschließender medizinischer und beruflicher Rehabilitation unter einem gemeinsamen Dach eröffnet dabei das gesamte Spektrum neurologisch-neuropsychologischer Versorgung, das nach Etablierung der stationären Frührehabilitation (Phase B) im Oktober 2012 nun alle wesentlichen Rehabilitationsstufen und -angebote einschließlich einer umfassenden Diagnostik in unserer Hochschulambulanz und der Möglichkeit einer teilstationären Rehabilitation umfasst. Die neuropsychologische Diagnostik erfolgt auf der Grundlage sorgfältiger klinischer Beobachtung und gut validierter psychometrischer Testverfahren, aber auch unter Heranziehung spezieller Untersuchungstechniken, wie z.B. der funktionellen Kernspintomographie (fMRT) oder des Amobarbital-Tests („WADA-Test”). Die Behandlung findet vor allem in Form von hochfrequenten Einzeltherapien (mind. 90-120 Minuten wöchentlich) statt, je nach Patientenstruktur wird vereinzelt aber auch Therapie in Kleingruppen durchgeführt. Die Therapieziele können einerseits Funktionsverbesserung und -wiederherstellung, andererseits aber auch die Wiedererlangung von Aktivitäten und Teilhabe darstellen. Ist eine Wiederherstellung (Restitution) der beeinträchtigten Funktionen nicht möglich, wird versucht, durch Nutzung erhaltener Funktionen (Kompensation), externe Hilfen (Substitution) und Anpassung der Umgebung an die Schädigung (Adaptation) die Wiedereingliederung des Betroffenen in den Alltag zu unterstützen. Behandlungsplanung und -durchführung erfolgen unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren (insbesondere personenbezogener Art) des Betroffenen.

Mitarbeiter:
Prof. Dr. D. Lulé, PhD (Leiterin); J. Finsel, M.Sc.; O. Helczyk, M.Sc.; C. Vazquez, M.Sc.

Die Arbeiten erfolgen in Kooperation mit folgenden Partnern: Prof. Dr. H. Fangerau (Medizinische Ethik, Universität Köln), Prof. Dr. N. Birbaumer (Universität Tübingen) und Prof. Dr. A. Kübler (Universität Würzburg). Für internationale Studien besteht eine Kooperation mit Prof. P. Andersen (Universität Umeå, Schweden) und Prof. M. Kuzma (Universität Warschau, Polen).

Bei der Anpassung der Neuropsychologie an das BCI-System sind Dr. M. Gorges und Prof. Dr. E. Pinkhardt beteiligt.

Ein Überblick über die bisherigen Publikationen findet sich hier.

 

Arbeitsgebiete


Psychosoziale Konsequenzen
Studien in den Niederlanden zeigen, dass dort 20% aller ALS-Patienten Euthanasie bzw. arztassistierten Suizid in Anspruch nehmen, um ihr Leben zu beenden. Bisherige Querschnittstudien an deutschen ALS-Patienten zeigen, dass das Interesse an lebensverkürzenden Maßnahmen hierzulande deutlich niedriger ist. In einer von der Arbeitsgruppe durchgeführten retrospektiven Untersuchung von Sterbeumständen von N=121 ALS-Patienten in Deutschland bestätigte sich, dass lebensverkürzende Maßnahmen nur sehr selten zum Einsatz kommen (in 4% der Fälle). Wie und wodurch dieser Unterschied zwischen den Ländern zustande kommt, ist eine der Fragen unserer aktuellen Forschungsprojekte.
In einer abgeschlossenen prospektiven longitudinalen Untersuchung bei N=94 ALS-Patienten über ein Jahr konnten wir zeigen, dass ALS-Patienten ihre Entscheidungen bezüglich verschiedener therapeutischer Maßnahmen, die das Leben verlängern, dynamisch im Verlauf des Krankheitsprozesses anpassen. Der Wunsch zum beschleunigten Versterben sank signifikant im Verlauf eines Jahres. Die Sorge, eine Last zu sein, hatte maßgeblichen Einfluss darauf, ob sich Patienten für oder gegen das Leben entschieden. Lebensqualität und Depressivität waren nach einer anzunehmenden instabilen Phase nach Diagnosestellung im Verlauf der Erkrankung gleichförmig hoch respektive niedrig, obwohl die körperliche Funktion signifikant abnahm (Abbildung 1; Lulé et al., 2014). Wie wir in einer weiteren Studie bei N=89 ALS-Patienten, N=86 Angehörigen und N=102 gesunden Außenstehenden zeigen konnten, waren Angehörige und gesunde Außenstehende nicht in der Lage sich vorzustellen, dass ALS-Patienten ein solch gutes Wohlergehen zeigen können (Lulé et al., 2013).

Aktuell wird die Fragestellung im Rahmen eines Subprojektes des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten MND-Netzwerkes bei weiteren N=400 ALS-Patienten im Querschnitt und im Verlauf von einem Jahr untersucht. Dabei geht es unter anderem um die Determinanten dieser Entscheidungen bezüglich Lebensverlängerung und -verkürzung wie das soziale Umfeld, Wohlbefinden, das autonome Selbstverständnis und auch kognitive Fähigkeiten.

Auf internationaler Ebene wird diese Fragestellung zudem im Rahmen eines vom Joint Programme for Neurodegenerative Diseases (JPND) geförderten Drittmittelprojektes weitergeführt (NEEDSinALS). Dabei werden in einem Ländervergleich zwischen Deutschland, Polen und Schweden die rechtlichen, ethischen und religiösen Hintergründe der Entscheidungen bezüglich Lebensverlängerung und -verkürzung untersucht. Dazu werden Befragungen mit ALS-Patienten, deren Angehörigen und den behandelnden Ärzten durchgeführt.

Abbildung 1: Nach anzunehmender anfänglicher Instabilität nach Diagnosestellung (Anpassungsstörung; grauer Bereich) zeigen ALS-Patienten im Verlauf der Erkrankung eine gleichbleibend zufriedenstellende Lebensqualität (QoL) und niedrige Depressivität trotz signifikanter Abnahme der körperlichen Bewegungsfähigkeit (*** mit p<0.001).

Kognition

Studien haben gezeigt, dass ca. 30% aller ALS-Patienten kognitive Defizite und/oder Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Diese haben einen signifikanten Einfluss auf die Überlebensdauer und die psychosoziale Belastung von Patienten und Angehörigen, weshalb es von enormer Wichtigkeit ist, spezifische Auffälligkeiten bei Patienten mit ALS, auch um eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen mit kognitiven und behavioralen Beeinträchtigungen zu ermöglichen, so früh wie möglich aufzudecken. Mit dem Edinburgh Cognitive and Behavioural ALS Screen (ECAS) steht ein Standard-Screening-Verfahren zur neuropsychologischen Untersuchung von Patienten mit ALS (Abrahams et al. 2013) zur Verfügung. In unserer Arbeitsgruppe wurde, in Zusammenarbeit mit Hannover, St Gallen und Edinburgh, eine Validierung der deutschen Version dieses Testverfahrens bei N=136 ALS-Patienten und N=160 gesunden Kontrollen durchgeführt (Lulé et al., 2014). Da kognitive Leistungen immer auch von Alter und Bildung der Patienten abhängen, haben wir ebenfalls entsprechend angepasste Schwellenwerte für den routinemäßigen Einsatz in der Klinik entwickelt (Loose et al. 2015; in press).

Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zum Download des ECAS:  www.ecas.network

Im Rahmen des ALS-Registers Schwaben wurde des Weiteren mit der ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung derjenigen ins ALS-Register aufgenommenen Patienten fortgefahren, bei denen sich in Kurz-Screenings Hinweise auf Einschränkungen der Frontalhirnfunktionen oder darüber hinaus gehende kognitive Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten ergeben hatten. Außerdem erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem FTLD-Register in Schwaben und dem FTLD-Register Deutschland.

Kortikale Reorganisation

Im Rahmen des DFG-Projektes zur „kortikalen Reorganisation bei der ALS” wurden die bisherigen Ergebnisse zur pathologischen Beteiligung und kortikalen Plastizität im motorischen und in extramotorischen Systemen mit Hilfe von fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie), aufgabenfreier IFC (intrinsic functional connectivity) und DTI (diffusion tensor imaging) bestätigt und erweitert (Heimrath et al., 2014; Lulé et al., 2007, 2010). Weiterhin wurden Veränderungen neuronaler Aktivitätsmuster bei der Durchführung kognitiv anspruchsvoller Aufgaben mittels fMRT untersucht. Auch hierbei konnte eine, z.T. kompensatorische, Veränderung extramotorischer Hirnareale bei ALS-Patienten nachgewiesen werden.

Neuropsychologische Untersuchung mittels Eye-Tracking

Der fortschreitende Charakter der ALS macht eine herkömmliche neuropsychologische Untersuchung aufgrund von hand- bzw. sprechmotorischen Einschränkungen in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung unmöglich. Wir arbeiten daher an neuropsychologischen Untersuchungsmethoden, welche ausschließlich über die Erfassung von Augenbewegungen gesteuert werden können. Da dies bereits erfolgreich für zwei weitverbreitete Testverfahren, die Raven‘s Coloured Progressive Matrices (CPM) und den D2-Test, gelungen ist (Keller, Gorges et al. 2015), arbeiten wir momentan an einer augenbewegungsgesteuerten Version des ECAS.

Brain Computer Interfaces

Des Weiteren wurde der Einsatz von Brain-Computer Interfaces (BCIs, Gehirn-Computer-Schnittstellen) bei der ALS vorangetrieben. Einige Patienten wurden bereits darin trainiert mit der Kraft Ihrer Gedanken (d.h. mittels aufgezeichneter EEG-Signale) Sprachprogramme auf einem PC zu bedienen und Wörter zu buchstabieren. Aktuell erfolgt die Anpassung von neuropsychologischen Untersuchungsmethoden, insbesondere des ECAS, an ein mobiles BCI-System.

Weitere Informationen: www.needsinals.com

Mitarbeiter:
Dr. Dipl.-Psych. S. Anderl-Straub; Mag. rer. nat. M. Nagl; Dipl.-Psych. E. Semler; Prof. Dr. I. Uttner

Siehe Arbeitsgruppe Prof. Dr. Otto

  • Einführung in die klinische Neuropsychologie, Vorlesung und Begleitseminar, 2 SWS (W 74)
  • Untersuchungskurs Neurologie, Begleitvorlesung, 2 Lehrstunden (K 1) und 1 Lehrstunde „Patientenverfügungen in der Neurologie”
  • Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren: „Neurologische Rehabilitation”, Vorlesung, 1 Lehrstunde (Q 12)
  • „Mit 66 Jahren...”, Seminar, 1 Lehrstunde (Integriertes Seminar, Modul 5), 1 SWS
  • PJ-Unterricht, 1 Lehrstunde
  • Vorlesung Biologische Psychologie: Emotion und Kognition, 6 Lehrstunden
  • Seminar Biologische Psychologie: Methoden der Neuropsychologie, 12 Lehrstunden
  • Seminar Medizinische Psychologie: Konzepte des Wohlergehens in der Neurologie, 2 SWS
  • Vorlesung Molecular Medicine: from basic to clinical neuroscience, 2 Lehrstunden
  • Vorlesung Medical Neuroscience: Anatomie des Gehirns, 2 Lehrstunden
  • Seminar Medizin: MR Bildgebung in den Neurowissenschaften, 16 Lehrstunden
  • Seminar Allgemeine Psychologie: Neuropsychologische Methoden, 2 SWS

Kontakt

Telefon 0731 177 0

Telefax 0731 177 1202

Prof. Dr. rer. nat. Dorothée Lulé, PhD

Universitätsklinikum Ulm

Oberer Eselsberg 45

89081 Ulm