Unverändert hohe Resonanz

Präventionsprojekt „Kein Täter werden“ seit vier Jahren in Ulm

Der Ulmer Standort des deutschlandweiten Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ feiert vierjähriges Bestehen. Seit dem 02. Juli 2014 können an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Menschen mit pädophilen und hebephilen Neigungen, die keine Übergriffe begehen wollen, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen: Anonym, unter Schweigepflicht und kostenfrei. Ein multidisziplinäres Team aus spezialisierten Psycholog*innen und Ärzt*innen mit besonderer Fachkenntnis unterstützt Betroffene dabei, mit der Präferenz umzugehen. Ziel ist es, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen bereits im Vorfeld zu verhindern. Entwickelt wurde das Projekt von der Berliner Charité. Seit Anfang 2018 wird das Ulmer Therapieangebot von den Krankenkassen finanziert.

Das Angebot wird in Ulm unverändert gut angenommen: Seit Projektstart im Juli 2014 kam es bereits zu 790 Kontaktaufnahmen via E-Mail oder Telefon. Seit Januar 2015 können betroffene Menschen in einer Therapiegruppe an sich und im Umgang mit der Präferenz arbeiten. Auch die weiterführende so genannte Nachsorgegruppe erfreut sich großem Interesse. Sie richtet sich an Patienten, die die Intensiv-Therapie erfolgreich abgeschlossen haben und weiterhin niederschwellig unterstützt und begleitet werden möchten.

„Ein besonderer Meilenstein ist zuletzt gelungen, als wir die Zusage erhielten, im Rahmen eines Modellprojekts ab Januar 2018 vorläufig für fünf Jahre über die Krankenkassen finanziert zu werden. Trotzdem bleibt die ärztliche Schweigepflicht und sogar die Möglichkeit, anonym teilzunehmen, bestehen“, so Elisabeth Quendler, Psychologische Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin an der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Koordinatorin des Projektstandorts. Für das Gelingen des Projekts „Kein Täter werden“ sind sowohl die Schweigepflicht als auch die Anonymität ganz besonders wichtig. So wird die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme gesenkt und mehr Betroffene nehmen das Hilfsangebot an.
 
Nicht nur die Betroffenen selbst leiden unter ihrer sexuellen Neigung. Meist haben auch die Angehörigen große Schwierigkeiten, mit der Situation umzugehen. Daher wurde das Angebot im November 2015 um eine Angehörigengruppe erweitert. Die Angehörigengruppe bietet Interessierten eine Plattform zur Informationsgewinnung und Austausch mit anderen Angehörigen sowie Hilfe im Umgang mit den Betroffenen.

Zusätzliches Angebot
Als akademische Weiterbildung zum Zwecke der flächendeckenden psychotherapeutischen Behandlung von pädophilen Menschen wurden seit Projektstart zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt, weitere sind in Planung.
Prof. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Klinik, führt weiter aus: „Durch Forschung am Standort selbst und Forschungskooperationen innerhalb des deutschlandweiten Netzwerkes ‚Kein Täter werden‘, das ab 2018 von externen Fachleuten evaluiert werden soll, wird das Angebot für Hilfesuchende ständig weiterentwickelt und verbessert.“

Die größte Schwierigkeit in Bezug auf die sexuelle Ansprechbarkeit durch das kindliche oder jugendliche Körperschema ist immer noch die Angst der Menschen und die Stigmatisierung, die Betroffenen den Umgang mit der Präferenz deutlich erschwert. „Leider wird die Ansprechbarkeit an sich immer wieder gleichgesetzt mit sexuellem Verhalten. Daraus resultieren zum Teil ungerechtfertigte Vorbehalte und Ausgrenzung. Die sexuelle Ausrichtung sagt zunächst nichts über tatsächlich realisiertes sexuelles Verhalten aus“, betont Elisabeth Quendler, der die großflächige Aufklärung und damit die Reduktion der Angst und der Ausgrenzung ein besonderes Anliegen ist. Sie hält zu diesem Zweck eine Vielzahl an Vorträgen an Universitäten, Beratungsstellen und sonstigen interessierten Einrichtungen, aber auch in Schulen und bewertet die präventive Therapie als besten Opferschutz.

(Text: Elisabeth Quendler)


https://www.kein-taeter-werden.de/ulm

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: Projektinformationen "Kein Täter werden"

 

Elisabeth Quendler, Psychologische Psychotherapeutin, Sexualtherapeutin und Forensische Sachverständige für Strafrecht an der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Koordinatorin des Projektstandorts (Foto: Petra Voigt)

Die Psychologische Psychotherapeutin, Sexualtherapeutin und Forensiche Sachverständige für Strafrecht, Elisabeth Quendler, koordinert das Projekt "Kein Täter werden" am Standort Ulm