Allgemeines
Es gibt unterschiedliche Arten von Gefäßmalformationen, die in Größe und Lokalisation variieren können. Diese können von Geburt an sichtbar sein oder im Laufe der Zeit auftreten. Einige verschwinden im Verlauf, während andere dauerhaft bleiben.
Die meisten Malformationen werden durch Probleme kleiner Gefäße (Arterien, Venen, Lymphwege) in der Haut verursacht - diese werden als vaskuläre Malformationen bezeichnet.
Wenngleich die Mehrheit der Malformationen harmlos ist, können sie unterschiedliche Probleme mit sich führen und bedürfen einer korrekten Diagnose, um eine Behandlung ableiten zu können.
Hier finden Sie einen umfassenderen Überblick über die meisten Gefäßmalformationen basierend auf einer internationalen Klassifizierung der ISSVA (International Society for the Study of Vascular Anomalies):
Arteriovenöse Malformation
Arteriovenöse Malformationen (AVM) sind seltene angeborene Gefäßmissbildungen, bei denen arterielle und venöse Blutgefäße direkt miteinander verbunden sind, ohne die normalerweise vorhandenen Kapillargefäße dazwischen. Diese Verbindung bildet ein komplexes Geflecht, den sogenannten Nidus, in dem das Blut mit hohem Druck und Fluss durch die Gefäße strömt. Da der Widerstand zwischen den Gefäßen fehlt, kommt es häufig zu einer Erweiterung der Venen und einer Schwächung ihrer Wände, was die Bildung von Aneurysmen begünstigt. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Ruptur der Venen und Blutungen führen. Je nach Ort des Auftretens können verschiedene individuelle Symptome auftreten.
Venöse Malformation
Venöse Malformationen (VM) sind die häufigste Form angeborener vaskulärer Fehlbildungen und betreffen das venöse Gefäßsystem. Diese treten in der Haut, im Unterhautgewebe, in der Muskulatur oder um innere Organe auf und bestehen aus erweiterten Venen, die sauerstoffarmes Blut transportieren. Obwohl sie bereits bei der Geburt vorhanden sind, machen sich die Symptome oft erst später im Leben bemerkbar. Zu Beginn sind sie häufig nicht sichtbar, und erst nach Jahren kann die VM durch die Erweiterung der Venen auffallen.
Wenn die Haut betroffen ist, wird die Fehlbildung oft direkt bei der Geburt erkannt. Liegt die Malformation jedoch unter der Haut, kann sie jahrelang unbemerkt bleiben und erst durch schmerzhafte Ausdehnung entdeckt werden. In solchen Fällen dauert es oft lange, bis eine korrekte Diagnose gestellt wird, was häufig zu Fehldiagnosen führt.
VM können sich über Gewebegrenzen hinweg ausbreiten, sodass sie von der Haut und Unterhaut bis durch die Muskelbinde und in die Muskulatur hineinreichen. Das typische Erscheinungsbild einer venösen Malformation umfasst eine bläuliche oder violette Verfärbung der Haut oder Weichteile, weiche, komprimierbare Schwellungen sowie spontane oder durch Belastung verursachte Schmerzen. Manchmal können die Schmerzen auch in Zusammenhang mit der Bildung von Blutgerinnsel und umschriebener Entzündungsreaktion entstehen, was typisch für eine venöse Malformation ist. Das Wachstum erfolgt oft in Phasen, die mit hormonellen Veränderungen zusammenhängen.
Lymphatische Malformation („Lymphangiom“)
Lymphatische Malformationen (LM) sind angeborene Gefäßfehlbildungen, die vor allem die Lymphgefäße betreffen. Sie sind keine vererbbare Erkrankung und die genaue Ursache für ihre Entstehung ist noch unbekannt. Lymphgefäße sind normalerweise für den Abtransport der Lymphflüssigkeit verantwortlich. Aufgrund einer fehlerhaften Entwicklung der Gefäße kann es zu einer Stauung der Lymphflüssigkeit führen, was die Bildung von lymphgefüllten Zysten verursacht. Diese Malformationen können bei der Geburt sichtbar sein, werden jedoch häufig erst im Laufe des Lebens diagnostiziert. Meistens treten sie nach einem Infekt oder einer kleinen Verletzung plötzlich auf, was zu einer auffälligen Schwellung führt.
LM sind häufig im Unterhautfettgewebe lokalisiert und verursachen meist nur Probleme, wenn sie plötzlich anschwellen. Es besteht jedoch auch immer das Risiko für Entzündungen und schmerzhafte Einblutungen. In einigen Fällen können diese Fehlbildungen auch in Muskeln, Drüsen, Knochen oder im Brust- und Bauchraum auftreten, wo sie gesundes Gewebe verdrängen und ernsthafte Komplikationen verursachen können. Im Bereich des Kopfes und Halses treten diese in über 60% der Fälle auf und können plötzliches Anschwellen zu einer lebensbedrohlichen Situation führen, insbesondere in der Nähe der Atemwege.
Die Therapie von LM hängt von ihrer Größe, Lage und den auftretenden Symptomen ab. In einigen Fällen kann eine bildgesteuerte perkutane Sklerotherapie gute Ergebnisse erzielen, bei der eine entzündliche Reaktion ausgelöst wird, die zur Verkleinerung der Zysten führt. Eine chirurgische Entfernung ist oft schwierig, insbesondere bei großen Befunden, und kann zu einer hohen Rückfallrate führen, weshalb eine interdisziplinäre Behandlung notwendig sein kann. Bei der medikamentösen Sklerosierung wird eine spezielle Substanz, zum Beispiel „Picibanil“ (OK-432), verwendet, die durch eine Entzündungsreaktion die lymphatische Malformation verkleinert.
Therapie
Ob eine Gefäßmalformation therapiebedürftig ist, hängt unter anderem von der Art der Malformation, der Lokalisation und der Größe ab. Gerade im Kopf- und Halsbereich können aber auch lebenswichtige Strukturen eingeengt oder verlagert werden. Außerdem kann eine Blutungsneigung bestehen.
Gefäßmalformationen werden nur an wenigen spezialisierten Zentren betreut und therapiert. Im Kindesalter, aber auch Erwachsenenalter ist neben der richtigen Diagnostik und dem Ausschluss einer Tumorerkrankung auch eine langfristige Therapie entscheidend. Insbesondere bei großen Befunden ist eine operative Therapie oft nur erschwert möglich und mit einer hohen Rezidivrate vergesellschaftet. Daher sind neben konservativen Maßnahmen, wie einer Kompressionsbehandlung, insbesondere interventionelle Therapien wichtig.
In unserer Klinik bieten wir das komplette Spektrum der erforderlichen diagnostischen Schritte inklusive Sonographie, Computertomographie, Kernspintomographie und Angiographie an. Nach Befundbesprechung in einem interdisziplinären Board des Zentrums für vaskuläre Malformationen werden dann die geeigneten minimalinvasiven und chirurgischen Therapien ausgewählt. Hierzu besteht eine enge Kooperation zwischen den Kliniken der Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde, Radiologie, Neuroradiologie, Kinderklinik und Augenklinik. Die Therapiemöglichkeiten sind vielfältig und individuell auf jede Erkrankungsausprägung einzeln oder auch in Kombination abzustimmen. Die Eingriffe können je nach Komplexität in örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose durchgeführt werden.
Bei einer minimalinvasiven medikamentösen Sklerosierungstherapie werden in der Regel unter Ultraschallkontrolle dünne Kanülen direkt durch die Haut in die Malformation eingebracht. Nach Eispritzen von Kontrastmittel können die fehlgebildeten Gefäße mit der Röntgendurchleuchtung dargestellt werden. Anschließend erfolgt unter Röntgenkontrolle die Verabreichung von speziellen Flüssigkeiten, die beispielsweise zu einer Entzündungsreaktion und Verklebung (Verödung) der Gefäßwände führen sollen. Je nach Art der Malformation eignen sich hierzu unterschiedliche Substanzen wie Picibanil, Polidocanol oder Doxycyclin. Bei den lymphatischen Malformationen bieten wir die Sklerosierungstherapie direkt in der HNO-Klinik sonografisch gestützt ohne Durchleuchtung an. Vor allem bei größeren Gefäßmalformationen sind häufig mehrfache Eingriffe notwendig. Wiederholungen können im Abstand von Monaten oder auch Jahren erfolgen.
Insbesondere bei arterio-venösen Malformationen erfolgt der Zugang normalerweise über eine Punktion der Leistenarterie. Unter Röntgendurchleuchtung wird dann ein dünner Katheter durch die zuführenden Arterien direkt in die Gefäßmalformation vorgeschoben. Mittels Einspritzens spezieller Flüssigklebstoffe und/oder Verabreichung von Metallspiralen (Coils) lassen sich dann die fehlgebildeten Gefäßverbindungen verschließen.
Zusammenfassend werden folgende Therapien regelmäßig durchgeführt:
- Sonographisch kontrollierte Sklerosierung mit Picibanil oder Fibrovein von lymphatischen Malformationen
- Operative Entfernungen vaskulärer Malformationen nach individueller Fallbesprechung
- Sonographisch/CT—graphische Sklerosierung/Embolisation verschiedener vaskulärer Malformationen (Interventionelle Radiologie)
- Systemische Therapieoptionen im Kindesalter bei ausgewählten Fällen (Kinderklinik)
https://www.rku.de/fachbereiche/radiologie-neuroradiologie/therapeutische-verfahren/
https://www.uniklinik-ulm.de/radiologie-diagnostische-und-interventionelle/sektion-interventionelle-radiologie.html
Weitere Informationen
Kooperierende Zentren:
Universitätsklinik Freiburg, Kinderklinik
Universitätsklinik Halle, Radiologie
Universitätsklinik Regensburg, HNO und Radiologie
Universitätsklinik Essen, HNO und Radiologie
Evang. Elisabeth Klinik Berlin, Lasermedizin
Charitè Berlin, Kinderchirurgie
Klink für Kinderchirurgie, Eberswalde