Stimmstörungen

Erkrankungen an den Stimmlippen (Stimmbändern) des Kehlkopfs äußern sich durch Heiserkeit, Sprechanstrengung und eine wenig belastungsfähige Stimme, was eine deutliche Einschränkung im Alltag darstellt. Als ursächlich kommen hierfür neben entzündlichen Erkrankungen, hyperfunktionellen Stimmstörungen durch Verkrampfung der Halsmuskulatur, gut- und bösartigen Tumoren sowie neurologischen Erkrankungen wie die Stimmlippenlähmungen oder die sog. spasmodische Dysphonie psychogene Faktoren in Frage. Zur Diagnosestellung und Therapieplanung wird zunächst am wachen Patient eine videolaryngostroboskopische Untersuchung der Stimmlippen (dynamische Kehlkopfuntersuchung) in der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie durchgeführt, um die anatomisch und funktionelle Beschaffenheit der Stimmlippen bei der Stimmbildung (Phonation) zu beurteilen. Es können dadurch Aussagen zum Stimmlippenschluss und zu den harmonischen Stimmlippenschwingungen gemacht werden, die durch Stimmlippenerkrankungen beeinträchtigt sind.

Spezielle Ursachen von Stimmstörungen und deren Therapie:

Ohne zunächst erkennbare Veränderungen an den Stimmlippen entwickeln Patienten mit hyperfunktionellen Stimmstörungen, d.h. mit übermäßiger Muskelspannung der Stimmlippen bei Stimmbildung (bzw. einer unnatürlichen Sprech- und Atemtechnik) bereits im Anfangsstadium der Erkrankung eine deutliche Sprechanstrengung mit Heiserkeit. Das stroboskopische Schwingungsverhalten der Stimmlippen ist muskelspannungsbedingt eingeschränkt bzw. irregulär.Eine stimmtherapeutisch konservative Therapie mit dem Fokus, schädliche Stimmüberlastung abzubauen wird durch verschiedene Verfahren (z.B. Sprech- und Atemtechniken, Stimmhygiene) bewirkt. Die Prognose ist unter stimmtherapeutischen Maßnahmen günstig. Als Folge einer nicht therapierten hyperfunktionellen Stimmstörung können sich Stimmlippenknötchen, („Schrei- bzw. Sängerknötchen") ausbilden

Krankheitsursächlich sind für die organischen Stimmstörungen eine Massezunahme der Stimmlippen (z.B. bei Stimmlippenpolypen oder –zysten) mit irregulärem Feinschwingungsverhalten oder einem inkompletten Stimmlippenschluss (z.B. bei Stimmlippenlähmung) verantwortlich. Sie werden phonochirurgisch therapiert (Link Phonochirurgie). Auch ein bösartiger Tumor der Stimmlippen verursacht Heiserkeit. Die Therapie des Stimmlippenkarzinoms und seiner Vorläufer erfolgt in Anlehnung Behandlungsleitlinien über die Onkologen der HNO-Kernklinik.

Selten sind Stimmstörungen Ausdruck einer psychischen Belastungssituation bzw. einer Somatisierungsstörung. Bei diesen Patienten erfolgt neben der Stimmdiagnostik meist noch eine psychologische Mitbeurteilung durch unsere klinische Psychologin, um eine gezielte Psychotherapie einzuleiten. Eine alleinige Stimmtherapie ist solchen Fällen nicht erfolgsversprechend.

 

Stimmverbessernde Eingriffe am Kehlkopf (Phonochirurgie)

 

Mit Hilfe der sog. Phonochirurgie, das heißt Kehlkopfoperationen, die das Ziel haben, die Stimmqualität zu verbessern, kann diesen Patienten geholfen werden. Die phonochirurgischen Operationen können je nach Indikation bzw. Erkrankung endoskopisch, d.h. über die Mundhöhle/Mundrachen von innen durchgeführt werden.

In Vollnarkose wird hierzu der Kehlkopf mit dem Laryngoskop eingestellt und mit dem Operationsmikroskop vergrößert betrachtet (direkte Mikrolaryngoskopie, MLS) (Abbildung 1). Mit mikrochirurgischen Operationsinstrumenten kann nun gezielt eine Therapie an den Stimmlippen durchgeführt werden. Üblicherweise werden durch die MLS Stimmlippenpolypen (Abbildung 2), Stimmlippenzysten (Abbildung 3), Reinkeödeme (Abbildung 4), Schreiknötchen, Papillome und Leukoplakien (Abbildung 5) abgetragen. Bei Bedarf wird auch eine laserchirurgische Therapie angewandt.

Liegt eine sogenannte spasmodische Dysphonie vor, so erfolgt die Behandlungen durch direkte Einspritzung von Botulinumtoxin (BOTOX) in den Stimmbandmuskel. Kommt es zu Heiserkeit, da die Stimmlippen aufgrund einer Stimmlippenlähmung bei der Stimmgebung nicht komplett schießen (Abbildung 6a), so muss die gelähmte Stimmlippe zur Mitte hin verlagert werden (Medialisierung, Stimmlippenunterfütterung). Dies erfolgt durch Einspritzung von z.B. körpereignem Fett, Hyaluronsäure oder Kalziumhydroxylapatit (Abbildung 6b). Bei größeren Spalten muss eine Operation "von außen" mit einem Hautschnitt am Hals durchgeführt werden. Mit Hilfe dieser sog. Thyroplastik wird die gelähmte Stimmlippe durch ein (körpereigenes) Implantat dauerhaft in die Mitte geschoben.
Die stimmverbessernden Eingriffe werden in Vollnarkose und in Spezialfällen auch in örtlicher Betäubung angeboten.

 

Stimmzentrum Ulm (SZU)

Profilbild von Prof. Dr. med. Rudolf Reiter

Prof. Dr. med. Rudolf Reiter

Oberarzt der Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie

Die Ursachen von Stimmstörungen können in den unterschiedlichsten Bereichen liegen, was ein interdisziplinäres Vorgehen bei der Diagnostik und Therapie erfordert [1].

Zur Intensivierung der klinischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen, die bei der Versorgung von Stimmpatienten beteiligt sind, wurde Anfang 2019 vom Klinikumsvorstand die Einrichtung des „Stimmzentrums Ulm am Universitätsklinikum Ulm, SZU" beschlossen. Das SZU ist ein von der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, der Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie, den Kliniken für Innere Medizin I, Neurologie und für psychosomatische Medizin und Psychotherapie getragener, gemeinsamer Bereich. Er arbeitet eng mit der Akademie für Gesundheitsberufe am Universitätsklinikum Ulm (Fachbereich Logopädie) zusammen.

Dem Geschäftsführenden Vorstand des SZU gehört Herr Prof. Dr. R. Reiter aus der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie an.

Die Erstvorstellung von Patienten/-innen mit Stimmbeschwerden ist weiterhin in der Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie bzw. in der der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde geplant. Die logopädische Stimmtherapie kann z.B. an der Akademie für Gesundheitsberufe am Universitätsklinikum Ulm (Fachbereich Logopädie; Homepage: https://www.akademie.uniklinik-ulm.de/ausbildung/logopaedie/logo-therapie.html) angeboten werden (Ansprechpartner Frau Mandelka, 0731/500 68251, franziska@mandelka@uniklinik-ulm.de).

Prof. Dr. Reiter

(Sprecher des SZU)

 

[1] Reiter R, Hoffmann TK, Pickhard A, Brosch S. Hoarseness-causes and treatments. Dtsch Arztebl Int. 2015 May 8;112(19):329-37