Der Arbeitsplatz rückt als Ort, an dem frühe, niedrigschwellige und individuell passende Hilfe bei psychischen und psychosomatischen Beschwerden angeboten werden kann in den Mittelpunkt. Aus diesem Grund vernetzen wir uns als Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Betrieben, Betriebsmedizinern, Krankenkassen und interessierten Kollegen in Wissenschaft und Forschung.

Allgemeine psychische Erkrankungen wie Depression, Angst oder somatoforme Störungen gehören mittlerweile weltweit zu den zweithäufigsten Ursachen der durch Krankheit beeinträchtigten Lebensjahre. Durch dieses hohe Vorkommen verursachen sie enorme direkte und indirekte Kosten und werden deshalb gesundheitspolitisch äußerst relevant. Vergleichbar mit europäischen Nachbarn nehmen deshalb in Deutschland aber nur 20% der Betroffenen das psycho-medizinische Versorgungssystem in Anspruch. Im Schnitt vergehen 6-7 Jahre zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und ihrer adäquaten Behandlung. Gründe sind oft Angst vor Stigmatisierung [Clement 2014, Rüsch xx], lange Wartezeiten für eine ambulante Psychotherapie [BPtK 2011, Kruse und Herzog] oder Probleme bei der Vermittlung in eine psychotherapeutische Behandlung.

Aus gesundheitspolitischer Perspektive ist die Vermeidung bzw. möglichst frühzeitige Behandlung von psychischen Erkrankungen ein wichtiger Schritt, um negativen Folgen wie z.B. langer Arbeitsunfähigkeit zu begegnen. Darüber hinaus hat die Berücksichtigung der Arbeitsplatzsituation in der psychotherapeutischen Behandlung positive Effekte auf die Arbeitsfähigkeit.

  • Versorgungslandschaft mitzugestalten
  • Durch Forschung die Entwicklung und Evaluation von primär-, sekundär- und tertiärpräventiven Maßnahmen an dieser Schnittstelle zu ermöglichen. Das beinhaltet die Beforschung der Schnittstelle durch Bewertungen ihrer Akteure und der Kontextfaktoren. Als besondere Zielgruppen werden bisher sowohl Erwerbstätige aus verschiedenen Perspektiven (Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeitszufriedenheit, Ärztegesundheit), als auch langzeitarbeitslose oder chronisch kranke Menschen (Schwerpunkt Schmerzerkrankungen) in den Blick genommen.
  • Methodisch... arbeiten wir den Empfehlungen für die Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen folgend (Campbell 2000, Craig 2008, MRC 2008, Memorandum VF Pfaff et al) sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Verfahren. Und vereinen in der Gruppe die Schwerpunkte Versorgungsforschung, klinische Forschung und (Einzel- und Gruppen-) Psychotherapieforschung.

Projekte

FRIAA
Frühe Intervention am Arbeitsplatz für psychisch belastete Beschäftigte
Projektbeschreibung

Das Projekt Frühe Intervention am Arbeitsplatz (friaa) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Förderkennzeichen: BMBF-01GX1902A) gefördert und in einer Laufzeit von 4 Jahren realisiert.

Am Projekt friaa sind insgesamt 8 Kooperationspartner in ganz Deutschland beteiligt, wobei am Standort Ulm die Koordination des Projektes durchgeführt wird. Ziel von friaa ist es, im ersten Schritt eine modularisierte arbeitsbezogene psychotherapeutische Intervention zu entwickeln und zu manualisieren.

Die Intervention hat zum Ziel, Arbeitnehmende mit psychischen Belastungen möglichst früh zu erreichen, um ihnen eine arbeitsbezogene Psychotherapie zukommen zu lassen. Ein Ziel der arbeitsbezogenen Psychotherapie ist, wenn möglich, den Verbleib im Erwerbsleben zu sichern bzw. den Return to Work zu erleichtern. Neben des außerordentlich frühen Greifens der Intervention ist eine Besonderheit die Vernetzung von Prävention, Akutversorgung und Rehabilitation zur Versorgung psychisch erkrankter Arbeitnehmender.

Die Intervention wird an fünf Standorten (Berlin/Teltow, Düsseldorf, Erlangen, Hildesheim und Ulm) durchgeführt. Über verschiedene regionale Netzwerke, wie z.B. IHKs und Betriebsärzte wird die Intervention bekanntgemacht. Es sollen insgesamt knapp 520 Personen aus kleinen, mittleren und Groß-Unternehmen möglichst unterschiedlicher Branchen für die Teilnahme an der Intervention gewonnen werden. Das Institut für medizinische Biometrie und Informatik der Uniklinik Heidelberg wird dabei als Kooperationspartner die Einhaltung höchster Standards an klinische Studien sichern. Neben der klinischen Evaluation der Intervention wird eine gesundheitsökonomische Evaluation der Intervention durch die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie II (Günzburg/Ulm), sowie eine formative Evaluation durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, Berlin) durchgeführt.

Kooperationspartner
  • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II, Günzburg

  • Institut für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin der Universität Düsseldorf

  • Abteilung für Psychosomatik und Verhaltenstherapie, Reha-Zentrum Seehof und Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation der Charité  - Universitätsmedizin Berlin

  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin

  • Institut für Psychologie der Universität Hildesheim

  • Institut für medizinische Biometrie und Informatik der Universität Heidelberg

  • Psychosomatische und Psychotherapeutische Abteilung der Uniklinik Erlangen

Projektleitung Ulm
Profilbild von PD Dr. med. Eva Rothermund

PD Dr. med. Eva Rothermund

Leitende Oberärztin | Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Profilbild von Prof. Dr. med. Harald Gündel

Prof. Dr. med. Harald Gündel

Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Laufzeit

2020 - 2024

SEEGEN
Forschungsverbund: "Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz Krankenhaus" SEEGEN
Projektbeschreibung

Gesundheit, Entstehung und Verlauf von Krankheiten sind durch sehr verschiedene Faktoren bestimmt. Insbesondere das berufliche Umfeld formt eine Vielzahl dieser Faktoren sowohl im positiven Sinne wie die Chance, Anerkennung zu erfahren, kreativ und produktiv zu sein, soziale Kontakte zu knüpfen und als Ressource zur Bewältigung belastender Situationen zu verwenden. Aber auch im negativen Sinne, wenn die aus vielfältigen Anforderungen bestehende, modern verdichtete Arbeitswelt zum Beispiel Gefühle von Überforderung oder Entfremdung erzeugt. Gerade in den vielfältigen Arbeitsbereichen der Krankenhäuser und Klinika, die in den letzten Dekaden einem enormen Wandel insbesondere bei den Arbeitsbedingungen zum Beispiel durch Kostendämpfungsmaßnahmen vollzogen haben, fehlt jedoch ein systematisiertes betriebliches Gesundheitsmanagement, welches die verschiedenen Faktoren auf den unterschiedlichen Ebenen günstig beeinflussen kann.

Ziel:

Das Ziel dieses zweistufigen Verbundprojektes ist es, eine komplexe Intervention basierend auf verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen zu entwickeln, deren Wirksamkeit zu prüfen und in die Anwendung zu bringen.

Vorgehen:

In Phase I (2 Jahre) werden die folgenden fünf Interventionsbausteine (Teilprojekte 1.A-E) jeweils einzeln entwickelt, je nach Format und Studienlage unterschiedlich evaluiert, sowie Strategien für deren nachfolgende Implementierung erprobt:

Teilprojekt 1.A: Sensibilisierung oberer Führungskräfte (Chefärzte/innen und Pflegebereichsleitungen) für das betriebliche Gesundheitsmanagement in der Klinik, Teilprojekt verortet an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - Centre for Health and Society (CHS) – Institut für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin, Projektleitung: PD. Dr. A. Müller

Teilprojekt 1.B Wege aus krankmachenden Zwickmühlen - Dilemmakompetenz für mittlere Führungskräfte im Gesundheitswesen. Teilprojekt verortet am Universitätsklinikum der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Zentrum für Psychosoziale Medizin (ZPM), Institut für Medizinische Psychologie, Projektleitung: Prof. Dr. J. Schweitzer-Rothers

Teilprojekt 1.C Stärkung der verhältnispräventiven und interprofessionellen Führungskompetenz von mittleren Führungskräften zur Reduktion der psychischen Belastung ihrer Mitarbeiter im Krankenhaus; Teilprojekt verortet an der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen, Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Projektleitung: Dr. F. Junne

Lebensphasenspezifische Interventionen im mittleren und höheren Lebensalter:

Teilprojekt 1.D Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Krankenhaus zur Reduktion der psychischen Belastung von Betroffenen und Teams, Teilprojekt verortet am Universitätsklinikum der Universität Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Projektleitung: Dr. Eva Rothermund

Teilprojekt 1.E Gesund Altern im Pflegeberuf (GAP) – Entwicklung und Evaluation eines Interventionsbausteins zur Förderung erfolgreichen Alterns im Beruf. Teilprojekt verortet am Universitätsklinikum der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin. Projektleitung: Dr. I. Maatouk

Teilprojekt 2: In Phase II (Jahre 3+4) erfolgt an drei Klinikstandorten die partizipative Implementierung der oben genannten Bausteine zu einer komplexen Intervention. Deren Wirksamkeit bezüglich des Wohlbefindens wird in einer clusterrandomisierten Studie evaluiert. Die Ergebnisse werden genutzt, um Manuale für die zukünftige Implementierung anzufertigen und für eine Diskussion auf gesundheitspolitischer Ebene. Projektleitung Prof. Dr. Harald Gündel

Teilprojekt 3: Ein Phase I und II übergreifendes betriebswirtschaftliches Teilprojekt unterstützt die Veränderung in den Krankenhäusern und entwickelt Kennzahlen (z.B. Arbeitgeberattraktivität, Produktivität), um den Erfolg verhaltens- und verhältnispräventiver Maßnahmen auch in der für Entscheidungsträger relevanten Größen zu messen. Verortet an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für BWL, insb. Organisation und Personal. Projektleitung Prof. Dr. Stefan Süß

Projektkoordination
Profilbild von Prof. Dr. med. Harald Gündel

Prof. Dr. med. Harald Gündel

Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Laufzeit

09/2017 - 09/2021

Verbundpartner

Universitätsklinikum Ulm, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Heidelberg, Universitätsklinikum Tübingen

Publikationen

Rothermund E, Gündel H (2016). Früherkennung und Frühintervention bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen von Beschäftigten. In M. A. Rieger, S. Hildenbrand, T. Nesseler, S. Letzel, & D. Nowak (Eds.), Prävention und Gesundheitsförderung an der Schnittstelle zwischen kurativer Medizin und Arbeitsmedizin. Ein Kompendium für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (1st ed., pp. 219–233). Landsberg am Lech, Germany: ecomed Medizin.

Rothermund E, Wege N, Gündel H (2015). Betriebsnahe Versorgungsnetzwerke bei allgemeinen psychischen Störungen - Überblick und internationale Studienlage. In P. Angerer, J. Glaser, H. Gündel, P. Henningsen, C. Lahmann, S. Letzel, & D. Nowak (Eds.), Psychische und Psychosomatische Gesundheit in der Arbeit (1st ed., pp. 288–298). Landsberg am Lech, Germany: ecomed Medizin.

Wege N, Janssen B, Rothermund E (2015). Betriebsnahe Versorgungsnetzwerke - Beispiele guter Praxis in Deutschland. In: Angerer P, Glaser J, Gündel H, Henningsen P, Lahmann C, Letzel S, et al., editors. Psychische und psychosomatische Gesundheit in der Arbeit. 1st ed. Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg: ecomed Medizin; 2015. p. 299–308.

Kessemeier, F., Gündel, H., Von Wietersheim, J., Hölzer, M., Rothermund, E. (2020). Seelische Gesundheit und berufliche Teilhabe: Die Bedeutung psychosomatischer Rehabilitation im Versorgungssystem. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 68 (2), 1–15. [DOI:10.1024/1661-4747/a000412]

Burgess, S., F. Junne, E. Rothermund, S. Zipfel, H. Gündel, M. A. Rieger and M. Michaelis (2019). "Common mental disorders through the eyes of German employees: attributed relevance of work-related causes and prevention measures assessed by a standardised survey." International Archives of Occupational and Environmental Health. [PubMed][DOI:10.1007/s00420-019-01414-7]

Rothermund, E., R. Kilian, E. M. Balint, E. Rottler, J. von Wietersheim, H. Gündel and M. Hölzer (2019). "Wie bewerten Nutzer das neue Versorgungsmodell „Die Psychosomatische Sprechstunde im Betrieb“?" Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 62(2): 186-194. [PubMed][DOI:10.1007/s00103-018-2869-x]

Profilbild von PD Dr. med. Eva Rothermund

PD Dr. med. Eva Rothermund

Leitende Oberärztin | Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie