Myelodysplastisches Syndrom (MDS)

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    Die Therapiemöglichkeiten bei Patienten mit MDS sind derzeit sehr begrenzt. Daher besteht ein hoher Druck neue, gut verträgliche und effektive Medikamente zu entwickeln. In der Inneren Medizin III am Universitätsklinikum Ulm führen wir mehrere Therapiestudien für Niedrigrisiko und Hochrisiko MDS durch. Eine aktuelle Übersicht finden Sie hier:

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    Beschreibung der Erkrankung

    Das Myelodysplastische Syndrom (MDS) ist eine klonale Erkrankung des Knochenmarks. Durch genetische Veränderungen in den Blut-Stammzellen kommt es zu Fehlbildungen (Dysplasien) der Zellen mit einem Differenzierungsdefekt. Dies führt zu einer unkontrollierten Vermehrung der Stammzellen (Blasten) und einem quantitativen Mangel an reifen Blutzellen (Zytopenien). Das MDS kann im Verlauf voranschreiten mit einer Vermehrung der Blasten und in eine sogenannte sekundäre akute myeloische Leukämie (sAML) übergehen.

    Häufigkeit, Erkrankungsalter und Risikofaktoren

    Das MDS hat in Deutschland eine Inzidenz von ca. 4/100,000 Einwohnern gemessen an der Gesamtbevölkerung. Allerdings nimmt die Häufigkeit des MDS wie bei den meisten Krebserkrankungen mit zunehmendem Alter zu. Die Patienten sind bei der Diagnose eines MDS im Durchschnitt ca. 75 Jahre alt.

    Ursache für die Entstehung des MDS sind genetische Veränderung der Blut-Stammzellen.  Genetische Veränderungen (Mutationen) in der DNA werden in jeder Zelle im Laufe des Lebens zufällig erworben und häufen sich dementsprechend mit zunehmenden Alter an, was erklärt warum das Risiko ein  MDS zu entwickeln im Laufe des Lebens zunimmt. Risikofaktoren für die Entstehung eines MDS sind alle Einflüsse, die die Entstehung genetischer Veränderungen in den Blut-Stammzellen fördern. Dazu gehören ionisierende Strahlen und Chemotherapeutika, die z.B. bei der Behandlung von Krebserkrankungen angewendet werden. Dementsprechend ist das Risiko ein MDS zu entwickeln nach einer solchen Tumortherapie erhöht. Ein MDS, welches nach einer solchen Therapie auftritt nennt man dann therapieassoziiertes MDS (tMDS). Das tMDS weist häufig genetische Hochrisiko-Marker auf (s. unten) und spricht dementsprechend schlecht auf eine Therapie an.

    Krankheitszeichen

    Die Symptome des MDS sind vor allem auf die inadäquate Bildung von reifen Blutzellen zurückzuführen:

    Leukopenie = Mangel an weißen Blutkörperchen: Die Leukozyten (weißen Blutkörperchen) sind verantwortlich für die Abwehr von Infektionen. Daher führt ein Mangel solcher Zellen zu einem Immundefekt, der das Risiko erhöht schwere Infektionen durch Bakterien, Pilze und Viren zu entwickeln.

    Anämie = Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die Erythrozyten transportieren im Körper den Sauerstoff von der Lunge zu den Organen. Ein Mangel führt zu Schwäche, Müdigkeit und Atemnot unter Belastung.

    Thrombopenie = Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten). Thrombozyten sind ein wichtiger Bestandteil der Blutgerinnung, so dass bei einer verminderten Thrombozytenzahl die Blutungsneigung steigt. Erstes Zeichen können punkförmige Einblutungen an den Unterschenkeln sein (Petechien).

    Diagnostik

    Die Patienten kommen häufig wegen einer der oben genannten Symptome zum Arzt, der dann ein Blutbild durchführt, in dem dann die Zytopenien auffalen. Es kann dabei ein Mangel in einer der Zellreihen, in zwei oder auch allen Zellreihen vorkommen.  Manchmal fällt eine Zytopenie auch im Rahmen einer Routineblutuntersuchung auf ohne dass Symptome bestehen. Der nächste Schritt in der Diagnostik ist ein mikroskopisches Differenzialblutbild und eine Knochenmarkuntersuchung (Zytologie und Histologie). Beim Myelodysplastischen Syndrom sind typischerweise dysplastische Zellen zu sehen, außerdem kann eine Vermehrung unreifer Zellen [Blasten] vorliegen. Des weiteren werden aus dem Knochenmark molekularbiologische Untersuchungen zum Nachweis von Veränderungen an Genen und Chromosomen in den MDS-Zellen durchgeführt. Die Diagnose ist jedoch nicht immer eindeutig und es ist wichtig, insbesondere wenn keine genetischen Veränderungen detektiert werden, mögliche Differenzialdiagnosen auszuschließen. So können z. B. auch ein Eisen- oder Vitaminmangel, Blutungen, Alkoholkonsum und bestimmte Medikamente zu Blutarmut und teilweise auch Dysplasien im Knochenmark führen.

    Genetische Veränderungen

    Bei 50% der Patienten mit MDS findet man erworbene, chromosomale Veränderungen, bei ca. 80-90% Genmutationen. Die genetischen Veränderungen helfen zum einen bei der Diagnosestellung des MDS. Außerdem haben sie teilweise eine prognostische Aussagekraft.

    Chromosomale Veränderung

    Häufigkeit

    Prognostischer Einfluss

    -5/del(5q)

    10-15%

    Gut, Ansprechen auf Lenalidomid

    -7/del(7q)

    10%

    Schlecht, häufiger bei tMDS

    +8

    8%

    Neutral

    Del(20q)

    5%

    Neutral

    -Y

    5%

    Neutral

    Komplexer Karyotyp (≥3 Veränderungen)

    10-15%

    Schlecht

    Genmutation

    Häufigkeit

    Prognostischer Einfluss

    TET2

    20-35%

    Neutral

    DNMT3A

    10%

    Neutral

    SF3B1

    25-35%

    Gut, häufig Ringsideroblasten im Knochenmark

    U2AF1

    6%

    Schlecht

    SRSF2

    15%

    Schlecht

    TP53

    5-10%

    Schlecht

    ASXL1

    10-20%

    Schlecht

    RUNX1

    5-10%

    Schlecht

    IDH1/2

    5-8%

    Neutral

    NRAS/KRAS

    5-10%

    Schlecht

    Klassifikation und Risikoeinteilung

    Das MDS wird entsprechend der WHO 2016-Klassifikation in mehrere Untergruppen eingeteilt, die sich an der Morphologie, dem Blastengehalt sowie genetischen Veränderungen orientieren.

    • MDS mit Dysplasien einer Linie (MDS-SLD)
    • MDS mit Dysplasien mehrere Linien (MDS-MLD)
    • MDS mit Ringsideroblasten(MDS-RS)
    • MDS mit isolierte Deletion von Chromosom 5q
    • MDS mit Exzess von Blasten (MDS-EB1/2)
    • Unklassifiziertes MDS

    Patienten mit MDS haben einen sehr variablen Verlauf hinsichtlich der Progression in eine AML und auch das Gesamtüberleben. Das Risiko kann mit Hilfe von Prognosescores wie dem IPSS-R abgeschätzt werden. Als Variablen gehen in diesen Score die Blastenzahl, die Genetik sowie die Zahl und Ausprägung der Zytopenien ein. Dementsprechend kann man die Patienten in solche mit niedrigem und hohem Risiko für einen Übergang in eine AML und das Risiko zu versterben einteilen.

    Therapeutische Möglichkeiten

    Die meisten Patienten mit MDS leiden an einer oder mehreren Zytopenien und deren Folgen. Eine symptomatische, supportive Therapie besteht in der Substitution der Blutzellen durch Transfusionen. Erythrozyten werden dabei ab einem Hämoglobinwert unter 7 g/dl oder bei Symptomen transfundiert. Wichtig ist bei längerer Transfusionsdauer auf eine zwangsläufig folgende Eisenüberladung zu achten und diese ggf. zu behandeln.

    Bei Thrombozyten gibt es keine eindeutigen Empfehlungen. Da es zu einer Sensibilisierung und Abstoßung der fremden Thrombozyten mit zunehmender Anzahl der Transfusionen kommen kann, verlieren die Transfusionen bei regelmäßiger Substitution an Wirkung. Daher wird generell eine Zurückhaltung empfohlen. Es ist unklar ob eine Substitution bei einem bestimmten Grenzwert von 10 G/L Thrombozyten oder nur bei Blutungen, unabhängig von der Thrombozytenzahl, durchgeführt werden sollen. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, wie weit der Patient von einem Krankenhaus entfernt ist, in dem eine Transfusion im Notfall schnell durchführbar ist.

    Zur Behandlung einer Immunschwäche durch den Mangel an Leukozyten muss bei Infektionen und Fieber schnell mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden. Es ist jedoch nicht gesichert, ob eine dauerhafte antibiotische Prophylaxe einen Vorteil bringt, da mit der Entwicklung von Resistenzen der Erreger zu rechnen ist.  

    Die weitere Therapie des MDS richtet sich nach der Risikokonstellation aus. Patienten mit einem Niedrigrisiko-MDS können neben Transfusionen mit Wachstumsfaktoren wie Erythropoetin behandelt werden, die bei einem Teil der Patienten zu einer Transfusionsfreiheit oder einer Reduktion der Transfusionshäufigkeit führt. Ein Sonderfall ist das MDS mit isoliertem Verlust von Chromosom 5q. Hier kann eine Therapie mit dem Thalidomid (Contergan)-Analogon Lenalidomid zu einer Transfusionsfreiheit bei ca. 60% der Patienten führen. Bei fehlenden Symptomen und fehlendem Transfusionsbedarf muss ein Niedrigrisiko-MDS nicht zwangsläufig behandelt werden.

    Beim Hochrisiko-MDS besteht in der Regel immer eine Therapieindikation, da neben den Zytopenien ein hohes Risiko für den Übergang in eine akute myeloische Leukämie besteht. Ein kurativer Ansatz ist die allogene Stammzelltransplantation, bei der von einem Familien- oder Fremdspender Stammzellen übertragen werden. Dies ist jedoch ein sehr risikoreiches Verfahren und eignet sich nur für ansonsten gesunde, biologisch junge Patienten. Weitere Informationen zu dieser intensiven Therapie finden Sie hier. Für ältere Patienten mit Vorerkrankungen oder Organstörungen ist eine solche Therapie jedoch zu risikoreich. Dann steht mit Azacytidin eine Substanz zur Verfügung, die in der Regel gut verträglich ist und ambulant appliziert werden kann. Bei ca. 50% der Patienten kommt es zu einen Ansprechen mit Besserung der Zytopenien. Zwar kann unter Azacytidin keine Heilung erreicht werden, es führt jedoch zu einer Verlängerung des  Gesamtüberlebens.

    Forschung

    Neben den klinischen Studien wird in verschiedenen Arbeitsgruppen der Inneren Medizin III und der Universität Ulm experimentell an der Entstehung und Behandlung des MDS gearbeitet. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Wirkmechanismus sowie Resistenzmechanismen bei dem Medikament Lenalidomid, welches für die Behandlung des MDS mit del(5q) zugelassen ist.

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