Willkommen beim ITI!
Eine schwere Verletzung oder ausgeprägte Operation versetzt den gesamten Organismus in höchste Alarmbereitschaft. Das geschädigte Gewebe sowie Bakterien setzen daraufhin „Gefahrenmoleküle“ frei, die eine große Herausforderung für das körpereigene Abwehrsystem darstellen. Die teilweise überforderte, funktionsgestörte molekulare Gefahrenantwort auf das Trauma manifestiert sich klinisch als Ganzkörperentzündung mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen. Diese können eine Störung von Gewebe-Blut-Schranken bewirken, eine Blutvergiftung (Sepsis), Gerinnungsstörung, Organdysfunktion oder sogar ein Mehrorganversagen mit hoher Sterberate. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind außerordentlich komplex und bisher noch weitgehend unverstanden. Ihre Aufklärung ist von großer Bedeutung, um die Überlebensrate Schwerverletzter zu verbessern und dauernde Verletzungsfolgen zu reduzieren.
Im neu gegründeten, weltweit einmaligen Institut für Klinische und Experimentelle Trauma-Immunologie der Universitätsklinik Ulm werden diese klinisch wie wissenschaftlich höchst relevanten Fragestellungen zielstrebig erforscht. Das hoch motivierte ITI Team arbeitet mit internationalen Experten zusammen, um die krankmachenden Mechanismen vom Molekül bis hin zum Organ zu entschlüsseln. Ein besonderer Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung und Überprüfung von chirurgischen und immunologischen neuen Behandlungskonzepten zur Verbesserung der Zell- und Organfunktion sowie zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten.
Das ITI ist an mehreren Verbundprojekten mit Schwerpunkt Traumaforschung der Universität Ulm zentral beteiligt. So ist Herr Prof. Dr. Huber-Lang beispielsweise stellvertretender Sprecher im Sonderforschungsbereich 1149 "Gefahrenantwort, Störfaktoren und regeneratives Potential nach akutem Trauma" sowie Gründungsdirektor des Forschungsneubaus Multidimensionale Trauma-Wissenschaften (MTW).
Forschungsschwerpunkte des Instituts
Das Polytrauma als lebensgefährliche Verletzung verschiedener Körperregionen ist nach wie vor Haupttodesursache Nr. 1 bis zum 45. Lebensjahr. Durch das Trauma entstehen unterschiedliche „Gefahrenmoleküle“, die zu einer lokalen und systemischen Entzündungsantwort führen. Das ITI erforscht hier die zugrundeliegenden Mechanismen und fokussiert insbesondere auf frühe Veränderungen des Immunsystems und der Blut-Organ-Schranken. Eine Funktionsstörung der unterschiedlichen Barrieren nach Trauma und ihr Beitrag zur Entwicklung des gefürchteten Multiorganversagens ist ein weiterer ITI-Forschungsschwerpunkt. Hier werden derzeit vielversprechende Therapieansätze verfolgt, um das Immunsystem zu stärken und Schrankenstörungen zu verhindern.
Nach schweren Verletzungen kommt es durch innere und äußere Blutungen häufig zu einem sogenannten Schockzustand, der durch eine verschlechterte Durchblutung lebenswichtiger Organe zum Versterben des Patienten führen kann. Hierbei deuten neuere Studien auch auf eine generalisierte Entzündungsantwort hin, die durch den Schock ausgelöst wird. Außerdem kann ein Schock die Funktion körpereigener Schranken beeinträchtigen, was zum Austritt von Flüssigkeit in gesundes Gewebe ("Ödem") und damit zur Funktionsbeeinträchtigung von Organen oder auch zur Einwanderung von Darmbakterien ins Blut führt. Das ITI arbeitet hier derzeit an der Etablierung neuer Testmethoden, um die Auswirkungen des Schocks nach Trauma möglichst früh und vor der Entwicklung von Organfunktionsstörungen feststellen und rechtzeitig therapeutische Maßnahmen ergreifen zu können.
Zur Erkennung äußerer und innerer Gefahren durch das Immunsystem dient nach neuesten Erkenntnissen insbesondere das Complementsystem als eine Art „Master-Alarm-System“. Die Complementkaskade ist, vergleichbar mit dem Gerinnungssystem, aus seriellen Proteinasen aufgebaut, die schrittweise durch limitierte Proteolyse aktiviert werden. Das Complementsystem kann dabei auf mehreren Wegen durch „Gefahrensignale“ in Gang gesetzt werde und der zentrale Complementfaktor C3 in das Anaphylatoxin C3a und das Opsonin C3b gespalten werden. C3b wirkt nicht nur als „Gefahrentransmitter“ durch Beladung fremdartig erscheinender Oberflächen, sondern ist auch entscheidend an der Formierung der C5-Konvertase beteiligt, die C5 in C5a und C5b spaltet. C5a ist ein äußerst potenter Entzündungsmediator. C5b bildet mit C6, C7, C8 und mehreren C9-Molekülen den Membranattackierungskomplex (MAC), welcher als Ionenpore in Membranen fungiert und zur Lyse der Zielzelle bzw. des Bakteriums führt.
Das ITI erforscht insbesondere neue Aktivierungswege des Complementsystems und entwickelt gezielte Complementtherapien bei schwerwiegenden Erkrankungen.
Neutrophile Granulozyten (Hauptbestandteil der weißen Blutkörperchen im Menschen) fungieren als natürlicher Schutzschild gegen Gefahrenmoleküle, Bakterien und deren Toxine. Kommt es zu einer Gewebeläsion, werden Neutrophile als “erste zelluläre Verteidigungslinie“ aktiviert und an den Ort der Verletzung rekrutiert. Es folgen die Freisetzung eines komplexen Netzwerks pro- und anti-inflammatorischer Mediatoren, reaktiver Sauerstoffspezies, bakterienabtötender Netze (NETs) und gewebezerstörender Proteasen, die in ihrer Gesamtheit die lokale Entzündungsantwort bedingen. Die Neutrophilen können somit nicht nur Gewebetrümmer entfernen und Bakterien abtöten, sondern auch den eigenen Organismus schädigen.
Das ITI erforscht aktuell immun-metabolische Veränderungen der Neutrophilen während der Sepsis und nach Trauma und hat bereits völlig neue metabolische Pfade beschrieben. Beispielsweise wirkt das Anaphylatoxin C5a auf Neutrophile gleichsam wie Insulin und führt in ihrer unmittelbaren Umgebung zu einer Laktatazidose.
Die systemische Ganzkörperentzündung auf dem Boden von Infektionserregern wird als Sepsis bezeichnet. Dabei ist nach neuen Definitionen vor allem die infektionsgetriebene Organdysfunktion entscheidend für die Diagnose. Die zellulären und metabolischen Dysfunktionen im Zusammenspiel mit der angeborenen Immunantwort sind im Forschungsfokus des ITIs. In translationalen Ansätzen werden Immunmonitoring, Diagnostik und therapeutische Ansätze konsequent verfolgt, mit dem Ziel, die immer noch nicht ursächlich behandelbare Sepsis zukünftig zu beherrschen.
20% aller Patienten auf der Intensivstation entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung ein Multiorganversagen. Hierbei verursacht die Aktivierung beispielsweise des Gerinnungs- und des Komplementsystems sowie das Ausschütten großer Mengen an Entzündungsmolekülen aus Immunzellen und Geweben eine starke Mobilisierung von Entzündungszellen. Diese wandern ins Gewebe ein und bekämpfen eingedrungene Fremdkörper, können hierbei aber auch durch das Schaffen eines aggressiven Mikromilieus gesundes Gewebe schädigen. Gleichzeitig werden aber auch kompensatorische Mechanismen des Körpers aktiv, die die Immunantwort hemmen und das Entstehen von Infektionen begünstigen können, die wiederum Organschäden nach sich ziehen.
Aktuelles

Beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie konnte Frau Christina Rastner einen Posterpreis mit ihrer Arbeit "Die Rolle des zentralen Komplementfaktors C3 bei Nierenschädigung nach extrarenalem Trauma" erlangen. Wir gratulieren ganz herzlich!

Die Medizinpromovenden Herr Dominik Hüsken und Herr Pascal Lessing wurden bei den Chirurgischen Forschungstagen 2022 mit einem Abstractpreis prämiert. Ihre klinisch-experimentellen Untersuchungen beleuchteten in Zusammenarbeit mit der Klinik für Kardiochirurgie neuartige Aspekte die perioperative zelluläre Dysfunktion neutrophiler Granulozyten. Letztautor PD Dr. David Messerer, Institutsdirektor Prof. Dr. Markus Huber-Lang und das gesamte Team des ITIs gratulieren herzlich zu diesem Erfolg des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Herr Stefan Hug und Herr Stefan Bernhard wurden von der International Graduate School in Molecular Medicine Ulm mit dem Student Award 2022 "Experimental Medicine" ausgezeichnet. Im Rahmen ihres Promotionsvorhabens in der AG Immunomonitoring (Betreuung: PD Dr. David Messerer) beforschten sie die zellphysiologischen Eigenschaften aktivierter neutrophiler Granulozyten im Zusammenhang mit den Entzündungsmediatoren PAF und IL8. Hierbei charakterisierten sie pharmakologische Interventionsmöglichkeiten und übertrugen die Ergebnisse in ein tierversuchsfreies experimentelles Ex-Vivo-Vollblutmodell. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Herr Hug und Herr Bernhard in Frontiers in Immunology bzw. im Journal of Innate Immunity. Wir gratulieren herzlich!

Herr MSc Marco Mannes hat bei der 14. Aegean Conference on Complement Therapeutics auf Rhodos einen Travel Award für seinen Vortrag zu "Complement-induced prothrombotic activation of platelets requires the lysis of cells" gewonnen.
In Bern beim EMCHD der Europäischen Komplementgesellschaft erhielt er außerdem den ECN Poster Presentation Award für sein Poster "Is the combined heterozygous genetic defect in C2 and C8B a reason for multifaceted immune imbalance?".
Wir gratulieren Herrn Mannes ganz herzlich zu diesen tollen Erfolgen!
Externe Kooperationspartner
J. Köhl J. Lambris P. Ward T. Mollnes S. Kanse B. Nilsson D. Rittirsch P. F. Stahel M. Ratajczak H. Redl C. Thiemermann M. van Griensven F. Hildebrand | Institut für Systemische Entzündungsforschung, Universität Lübeck Dept. of Pathology, University of Pennsylvania, Philadelphia Dept. of Pathology, University of Michigan, Michigan Institute for Immunology, Universität Oslo Institute of Basic Medical Sciences, Universität Oslo Division for Clinical Immunology, University of Uppsala Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Universitätsspital Zürich Department of Orthopaedic Surgery, University of Colorado, Denver Cancer Biology, University of Louisville´s James Graham Brown Cancer Center, Louisville Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie, Wien Barts and The London, William Harvey Research Institute London CBITE, MERLN, Faculty of Health, Medicine and Life Sciences, Universität Maastricht Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinik RWTH Aachen |